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NS-Bürokratie im Detail

Andreas Seegers untersucht in „Der Tod eines Zwangsarbeiters“ den „Fall Szablewski“

Die Erntehelferin Hildegard Lütten war kaum zwanzig Jahre alt, als sie im Sommer 1940 auf das Hamburger Gut Hohenbuchen bestellt wurde. Bereits seit April arbeitete dort der 27-jährige polnische Zwangsarbeiter Andrzej Szablewski, den die NS-Behörden nach Hamburg verschleppt hatten. Aufeinandergetroffen sind Lütten und Szablewski beim Baden nach Arbeitsschluss an einem Teich. Dem Polizeimeister Willy Schmid reichte das: „Als ich mit meinem Rad dorthin fuhr, fand ich einige Polen vor, die entweder badeten oder im Gras lagen. Ganz dicht neben ihnen war Frau Lütten. Als ein Ergebnis meiner Untersuchungen stellte ich fest, dass Frau Lütten illegale sexuelle Beziehungen zu den jungen polnischen Arbeitern unterhielt.“

Die Gestapo nahm Lütten und Szablewski fest. Geständnisse gab es keine, aber Urteile: Lütten wurde für drei Jahre im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert, Szablewski wurde zum Tod verurteilt.

Der Historiker Andreas Seeger hat die damaligen Vorgänge nachvollzogen und seine Ergebnisse zusammengetragen in dem Buch „Der Tod eines Zwangsarbeiters“ (Donat-Verlag). Seegers akribische Recherche zeigt, dass der Mord an Andrzej Szablewski nicht nur bis ins kleinste Detail geregelt war, sondern als „Fall Szablewski“ auch über so viele Schreibtische ging, dass das Britische Militärgericht im März 1946 erst gar nicht versuchte, die Verantwortlichkeiten vollständig zu entwirren. Und dann steht da: „Major Glendinning und Captain Zienkiewicz setzten die Verhandlungsdauer auf 1.000 Stunden fest“. kli

„Der Tod eines Zwangsarbeiters“ wird heute um 20 Uhr im Bremer Staatsarchiv vorgestellt

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