piwik no script img

press-schlagFreund des schönen Spiels

Beinahe wäre der Mann aus Schwaben in Baden auch noch Hoffenheim-Fan geworden

Er ist Schwabe. Das hört man, wenn man ihm zuhört. Außerdem ist er sparsam. Er selbst würde sich als typisch bezeichnen. Er wohnt in Baden. Das hat er sich nicht ausgesucht. Wegen der Arbeit. Es hat sich eben ergeben. In seiner Jugend hat er Fußball gespielt. Mit dem Dorfverein, für den er gekickt hat, hat er manch großen Klub besiegen können. Dann nahm das Leben überhand mit Zigaretten und manchmal viel zu viel Bier. Er würde das als normal bezeichnen.

Dem Fußballsport ist er treu geblieben – als Beobachter. Fan war er nie. Er hält sich für einen Experten. Nicht nur weil er beinahe alles über die Bundesliga weiß, sich noch an einen Detlef Oleidotter erinnern und die Spielernamen der Meistermannschaft von Eintracht Braunschweig aufsagen kann. Er nennt sich einen Freund des schönen Spiels.

Zurzeit wird er oft angerufen. Von schwäbischen Freunden, von Freunden, die er anderswo in Deutschland über die Jahre kennen gelernt hat. Sie gratulieren ihm. Er wohnt sechs Kilometer von Sinsheim entfernt. Seit vier Jahren hat er eine Dauerkarte für die TSG Hoffenheim. Er hat sich gefreut über das jugendliche Team unter Hansi Flick, hat sich geärgert über das biedere Interregnum unter Lorenz-Günter Köstner und er hat früh gemerkt, dass sich was tut, als Ralf Rangnick verpflichtet worden ist. Der Freund des schönen Spiels, um ein Haar wäre er doch noch ein Fan geworden.

Er wird es wohl nicht. Zwei Mal schon hat er seinen Platz im Mannheimer Carl-Benz-Stadion einem anderen überlassen. Er ist woanders hingefahren, hat sich die zweite Mannschaft angeschaut, ist nach Sandhausen gefahren zu einem Drittligaspiel. Ihm hat gefallen, was er gesehen hat. Er würde gerne etwas Neues, Besonderes entdecken. Da war der junge Kerl im defensiven Mittelfeld. Er ist sich sicher, dass der den Sprung nach oben schaffen könnte. Beim nächsten Heimspiel von Sandhausen will er sich den Namen notieren. Sandhausen steht gar nicht mal schlecht in der Tabelle.

Aber nein, aufsteigen möchte er nicht noch einmal. Er will die Freude an seinen Entdeckungen nicht mit allzu vielen anderen teilen müssen. Jetzt lieben alle Hoffenheim. Was haben die dem Verein gegeben in den letzten Jahren. Was haben all die Mitjubler dem Fußball gegeben? Die älteren Herrschaften, mit denen er vor vier Jahren das erste Mal auf der Haupttribüne die TSG begutachtet hat, er hat sie lange nicht mehr gesehen. Sie waren Fachleute, Experten – wie er. Ob die alten TSGler 1899-Fans geworden sind? Er glaubt es nicht.

Und dann ist da das Badener Lied, das immer gespielt wird, wenn die Mannschaften einlaufen. Er liebt Fußball – das wird so bleiben. Und er ist Schwabe – das kann er nicht ändern. ANDREAS RÜTTENAUER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen