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Zwischen Schwan und Esel

Nur noch alle zwei Jahre wieder: Kommenden Mittwoch beginnt das in den Biennalen-Rhythmus gepresste internationale Festival „Tanz Bremen“ mit einem ambitionierten „Dance-Lab“

Ist Bremen eine Tanzstadt? Das „Baustellenpapier“ der Kulturhauptstadt-Bewerbung legt das Gegenteil nahe, und auch die Kulturdeputation hat bekanntlich beschlossen, ihr Viertel des 200.000 Euro-Etats von „Tanz Bremen“ nur noch alle zwei Jahre beizusteuern – was de facto eine Halbierung des Festivals bedeutet. Jetzt findet es erstmals in seiner Biennal-Form statt.

Personal und Büro ließen sich über die Zwischenzeit hinweg kaum finanzieren, die langjährigen Festival-Macherinnen sind bereits abhanden gekommen. Die Fluktuation hat „Tanz Bremen“ also eine neue Leiterin beschert: Das Glück im Unglück heißt Sabine Gehm, zuvor Dramaturgin bei der Hamburger Kampnagel-Fabrik. Von dort hat sie die „Jungen Hunde“ mit nach Bremen gebracht.

Diese nicht-arrivierten Tanztiere bilden ein europaweites Selbsthilfe-Netzwerk zwecks Beschaffung von Auftritts-Chancen. Mit anderen Worten: Sabine Gehm hat eine neue, vier Abende lange, Programmschiene eingeführt, auf der interessante Leute wie Mustafa Kaplan – der gern das Umhertragen eines Kühlschranks zum Ausgangspunkt seiner Arbeit macht – in die Schwankhalle rutschen werden. Spannend wird sein, in diesem Umfeld die Bremer Szene zu beobachten. Aus 18 Bewerbern hat Gehm acht ausgewählt, darunter die Bremerhavenerin Claudia Hanfgarn mit ihrer genius-lociesken Performance „geschuppt“.

Unter den insgesamt 28 Produktionen aus neun Ländern sind bekannte Größen wie die Compagnie C. de la B., Constanza Macras mit ihren Kreuzberger HipHop-Jugendlichen, Ingun Bjørnsgaard und Arco Renz, die in Belgien aufgeblühte Bremer Tanzpflanze: Im Schauspielhaus führt er die video- und klanginstallationsangereicherte Choreografie „Mirth“ auf. Das Hans Hof-Ensemble zeigt in Bremerhaven „Frauen im Bad“ und Marcus Behrens von arte/Radio Bremen bringt, unter tanzender Mithilfe von Olga Cobos und Peter Mikas, im Moks seinen Film „Mareas“ zur Uraufführung.

Die offizielle Eröffnung dürfen Héla Fattoumi und Eric Lamoureux machen. Im Musicaltheater zeigen sie das Ergebnis ihrer weiter intensivierten Zusammenarbeit mit Zirkusartisten. Doch bereits am Vorabend verspricht die Hamburgerin Gitta Barthel – ehemals am Bremer Tanztheater, dann Gründerin der Compagnie „Les Passageurs“ – in einem „Dance-Lab“ Antworten auf die Frage, warum sich der Tanz „so weit vom Schönheitsideal des Balletts entfernt“ habe.

Ohne Barthels „verbalen und tänzerischen Antworten“ vorgreifen zu wollen: Der Mensch ist nun mal kein Schwan. Zahlreiche Belege dafür liefert auch die Festival-Präsenzvideothek des Bremer Tanzfilminstituts.

Das Rahmenprogramm bietet ferner Workshops im tanzwerk, das mit „Die Stunde“ und „Whirlschool“ auch im Hauptprogramm vertreten ist, sowie die Tagung „Tanz und Architektur“ im Paula Modersohn-Becker Museum.

Ob sich Bremen nicht doch für das Label „Tanzstadt“ entscheiden sollte? Schon unter Marketing-Gesichtspunkten ist es wesentlich attraktiver als das der so genannten Musikstadt – letzteres will mittlerweile jede Ortschaft mit Festival tauglicher Scheune sein. Außerdem zeichnen sich die Grimmschen Kronzeugen der hiesigen Musiktitulierung gerade dadurch aus, dass sie ihr Publikum nachhaltig verjagt haben. „Tanz Bremen“ hingegen konnte bisher mit einer 90-prozentigen Auslastung rechnen.

Henning Bleyl

Dance-Lab: Mi, 3. März, 19 Uhr, Sparkasse am Brill. Programm-Infos unter www.tanz-bremen.de sowie telefonisch: ☎ (04 21) 768 76, Kartenbestellung: ☎ (04 21) 365 33 33

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