piwik no script img

pampuchs tagebuchDas Ende meiner Bildungslücken

Es mag für einen Kolumnisten dieser Seite vielleicht etwas peinlich sein, aber ich habe die Zeitschrift Computerbild noch nie in meinem Leben gelesen. Ich wusste nicht einmal, dass es sie gibt. Doch wie jedes Buch irgendwann einmal zu seinem dafür bestimmten Leser findet, so fand das immerhin 220 Seiten starke Anfang-April-Heft von Computerbild („verständlich, 14-täglich/für nur 1,60 Euro/Neu! mit CD-ROM 2,20 Euro“) nun zu mir. Tief drin im Hessischen lief es mir – schon ein wenig überreif, aber immer noch bunt – auf dem Klosett meiner liebenswerten Gastgeber zu. Dort lag es auf der Lauer und erwischte mich mit seinem ansprechenden Haupttitel „Frühjahrsputz für ihren Computer“ voll auf dem falschen Bein – Kunststück auf dem Klosett.

 Für einen verträumten DAU (Dümmster Anzunehmender User) wie mich ist das Versuchung und Fegefeuer in einem. Ich weiß schon, warum ich mich von derlei Publikationen seit Jahr und Tag mit wohlwollender Ignoranz fern halte. So ein Heft kann das ganze Leben ummodeln. Die 220 engstbedruckten Seiten auch nur annähernd vernünftig anzusehen, erfordert etwa die Zeit von drei Maidemonstrationen, vier Maiwanderungen und fünf Maibowlen zusammen. Viel bleibt da für einen Kampftag der Arbeiterklasse nicht mehr übrig – womit der mangelnde Klassenstandpunkt der heutigen Computerfreaks schon mal sauber materialistisch hergeleitet sein dürfte.

 Das Teuflische bei Computerbild ist dabei, dass es so schleimig lehr- und hilfreich daherkommt, dass man einfach kleben bleiben muss. Da ziehen sich durchs ganze Heft rechts und links außen Spalten, in denen unter der verführerischen Rubrik „Was ist eigentlich …“ alle wichtigen Begriffe aus der Welt der Computer erklärt werden. Von USB bis VGA, von Soundkarte bis Prozessor, von FAT bis Partition! Hunderte von Begriffen! Nummeriert, damit im Text darauf verwiesen werden kann! Hinzu kommen Aussprachehilfen, die in fast Jandl’scher Mäddschick von Fantasmen wie Ällokäischn Täibls und Diddschitell Wörßetail Dissks berichten.

 Hat man sich an diesen Miniaturen genug ergötzt, tritt man ein in die Welt der Tests. Tragbare Computer, Festplatten, DVD-Brenner, MediaPlayer und Windowsoptimierungsprogramme, Finanz-Ratgeber, „Öffentliche Fördermittel“ und aktuelle Gastonomieangebote im Internet: Alles wird durch den akribischsten seitenlangen Testwolf gedreht mit endlosen Zahlenwürstchen als Output. Selbst wenn ich vorher nicht einmal gewusst habe, was ein Jitter ist, einen Brenner, der einen Jitter über 2,99 Nanosekunden zulässt, werde ich mir sicher nicht kaufen.

 Ob meine Ohren diese Tonschwankungen überhaupt hören können, ist egal – oder müsste getestet werden. Ob ich einen Brenner brauche, auch. Doch ist nicht das ganze Leben recht eigentlich ein Test? Computerbild jedenfalls weiß immer Rat. Womit wir bei den praktischen Angeboten wären. An denen sitze ich noch. Seit dem 1. Mai. Und bei al- lem, was allein dieses Heft an Hilfen, Tipps und Tricks – weit über den Frühjahrsputz hinaus – anbietet, dürfte das Aufarbeiten wohl bis zum nächsten 1. Mai reichen. Vorläufiges Testergebnis also: Ausreichend zum Zeitvertrödeln für gut und gern ein Jahr. Was Leute machen, die sich das Heft alle zwei Wochen kaufen, ist mir ein Rätsel.

THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen