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Natural born Außendienstmitarbeiter

Laut, bunt und lebhaft: Die Arbeitswelt-Farce „Better Days“ im Concordia. Um 90 pausenlose Minuten durchgehend zu unterhalten, setzt Regisseur Lukas Langhoff allerdings auf ein Übermaß an Pointen und Absonderlichkeiten. Und endet bei Bausparvertrag und Ratenzahlung

An merkwürdigen, oft witzigen Ideen herrscht bei Langhoff kein Mangel

Wenn Sie sich immer schon mal gefragt haben, wie das aussieht, wenn Sie im Publikum sitzen, und das Stück ist vorbei, und Sie sind am Klatschen, dann sollten Sie sich „Better Days“ anschauen.

Alexander Wolf hat entlang der schmalen Concordia-Tribüne einen universellen Spielraum entwickelt, der das Publikum nicht nur mit dem Spielgeschehen, sondern, qua Spiegel, auch mit sich selbst konfrontiert. Der Text des New Yorkers Richard Dresser singt das tragische Lied der Konformität, aus der so schwer herauszukommen ist.

„Better Days“ beginnt mit einer beeindruckenden Choreografie des Büroalltags. Als hätte sich Chaplin der Technik des Video-Samples bedient, erscheinen die fünf uniformierten und betontupierten Büroangestellten in einer Endlosschleife gefangen. Das ist komisch, vielleicht, weil es ohne viel Worte, ohne Geschichte daherkommt. Und die faszinierenden Simultanaktionen – immer wieder ans Telefon, immer wieder zum Wasserautomaten, immer wieder den Kollegen ein Guten Morgen! zugelächelt – deuten schon an, dass die Akteure alles aus sich rausholen werden. Auf den Bildschirmen steht „liberté, égalité, fraternité“ – herzlich willkommen in der Tretmühle des tertiären Sektors.

Die Fabrik, in der Ralle und Arne gearbeitet haben, wurde geschlossen. Die heruntergekommenen Ex-Nützlichemitgliederdergesellschaft aber haben ihre Hoffnung noch nicht fahren lassen. Ralle empfängt Stimmen, die ihm ständig sagen, die Fabrik würde bald wieder aufgemacht. Und die besseren Tage würden sein wie die alten. Die Wünsche der Figuren werden auf eine harte Probe gestellt: Soll alles wie früher werden oder ist doch ein kompletter Neuanfang genehm? Der dritte Freund tritt auf den Plan, Pille. Der ist Anwalt, worauf seine Kostümierung als Enterich nicht gleich hindeuten will. Im silbernen Koffer hortet er, nein, nicht Geld, doch immerhin: die Zukunft. Er hat Job nebst Zulassung verloren und möchte jetzt WC-Enten verkaufen. Von Tür zu Tür.

An merkwürdigen, oft witzigen Ideen herrscht bei Langhoff kein Mangel. Wenn sich Pille und seine Junkie-Freundin Chris „Full Metal Jacket“ artig zur Minna machen lassen („Was willst Du?“ – „Sir, einen Job, Sir!“). Oder wenn Ralles Frau Fee ihren Mann zum Ficken überreden will, der aber viel lieber am gelobten Eigenheim arbeitet. Oder wenn schließlich Pille seine WC-Enten-Taktik ausbreitet – und vor lauter fäkal-politischer Abstrusität eigentlich um die Zwangseinweisung bettelt.

Allein der Punkt geht „Better Days“ vor lauter Pointen und Absonderlichkeiten ein wenig verloren. Da hilft auch das selbstreferentielle Aus-der-Rolle-fallen nicht. Die Welt der McJobs ist vielleicht zu dankbar als Farcethema.

Der eigentliche Hammer der Story ist, dass am Ende (nach einer schönen Lagerfeuer-Version von Johnny Cashs „Hurt“) alle wieder zurück wollen zu Bausparvertrag und Ratenzahlung. Auch das geht in einer Inszenierung unter, die sich in Details verliert und zu sehr sich darauf verlässt, neunzig pausenlose Minuten lang unterhaltsam zu sein.

Tim Schomacker

Die nächsten Termine: Morgen, am Freitag und Sonntag im „Concordia“ an der Schwachhauser Heerstraße/Ecke Herderstraße. Karten (12 bzw. sieben Euro): ☎ 0421 / 365 33 33

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