: Im Zweifel meldet sich Overath
Die Bewerbung Kölns zur Kulturhauptstadt Europas 2010 beschäftigt die Kulturschaffenden der Stadt. Befürworter und Gegner haben sich positioniert, das „Rheinische Grundgesetz“ regelt offene Fragen
Von Rainer Osnowski
Die Aufregung ist groß, die Kulturabteilungen in den Medien berichten beständig Neues, Posten werden vergeben oder in Frage gestellt, die Gegner sind positioniert mit zuweilen originellen Einfällen (unter anderem mit der Initiative Köln für Münster – www.koelnfuermuenster.de). Kurz: Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt ist zwar nicht in aller Munde, jedoch das Thema bei den Kulturschaffenden.
Versuchen wir einmal, den Stand der Dinge zusammenzufassen, und orientieren uns an den von Konrad Beikircher entworfenen Artikeln des „Rheinischen Grundgesetzes“.
Artikel 1: Et es wie et es
Der Bewerbungstext macht die Bedeutung dieses von Gott bevorzugten Fleckchens Erde deutlich und unterstreicht, dass schon heute kein Zweifel daran bestehen kann (und darf!), in welch einer Stadt wir leben (dürfen). So begrüßt denn auch der Stadionsprecher des 1. FC Köln bei den Heimspielen im überdimensionierten Zweitligastadion die auswärtigen Gäste mit einem „Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands“. Wer will da widersprechen, wo es doch so schöne Bildbände aus vergangenen Zeiten gibt, die zeigen, welch Schönheit das Gestern hatte.
Art. 2: Et kütt wie et kütt & Art. 3: Et hätt noch immer jot jejange
Von diesem Selbstverständnis ausgehend, erklärt sich natürlich auch die nonchalante Art, mit der der Grundton der Bewerbung daherkommt. Am Dom kommt keiner vorbei, an Böll, dem Brauchtum und der Verkehrslage („Stadt inmitten Europas“) erst recht nicht. Fehlen noch die Kulturen der Stadt, die in ihrer Stellung im Kontext der Republik von den überregionalen (also nicht im verzaubernden Flair der Stadt verhafteten) Medien gern mit dem derzeitigen Niveau des örtlichen großen Fußballvereins verglichen werden.
Aber: Das ist sicher nur ein Missverständnis, denn was tut man derzeit nicht alles, um sich im Glanze der Kulturhauptstadtbewerbung ins Licht zu rücken. Und bis zur Entscheidung auf NRW-Ebene ist es ja noch ein wenig hin (20. Mai), und erst ein Jahr später fällt die Entscheidung auf Bundesebene. Da bleibt uns das Kulturlächeln aller Beteiligten noch etwas erhalten und auch die diversen Kulturschaffenden können sich etwas beruhigter zurücklehnen, werden doch die kargen städtischen Haushaltsmittel solange der Kultur erhalten bleiben, wie Köln im Rennen ist.
Und die 50 Millionen Euro, die es von privatwirtschaftlicher Seite braucht, um das Kulturhauptstadt-Projekt nach dem Umschiffen aller Hürden dann auch wirklich umzusetzen, werden schon – im Sinne des Rheinischen Grundgesetzes – irgendwoher kommen. Bestimmt! Im Zweifel wird sich sicher Wolfgang Overath melden ...
Art. 4: Wat fott es es fott
Und wenn dann am 20. Mai – natürlich wider aller Erwarten – Münster/Essen/Detmold/Kleinheisterbach den NRW-Ausscheid gewinnen sollte, bringt das eine Stadt wie die unsere nicht ins Wanken! Der Dom bleibt ja da, die Stadt lebendig, die Autobahn wird sechsspurig und die WM kommt!
Art. 5: Wat soll dä Quatsch! & Art. 5a: Wer weiß, wozu et jot es
Mit der Erfahrung aus der Bewerbungszeit wird die hiesige Kulturszene den begonnenen Diskurs vielleicht fortsetzen und versuchen, eine tragfähige, selbstreflektierte und zukunfts-weisende Vision einer – tatsächlich auch finanzierbaren – Kulturstadt Köln zu entwickeln. Die Energie, das sieht man ja an den vielen Aufsätzen, Papieren und Treffen, ist ja da...
Sicher ist also, dass die beginnende Kulturdiskussion im Rahmen der Bewerbung Spuren hinterlassen wird. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit, erhobenen Hauptes das Thema einer selbstverständlichen Finanzierung von Kultur durch die Kommune (versus „freiwillige Leistung“) auf die öffentliche Agenda zu setzen. Vor allem wird es vonnöten sein, diese Diskussion und die Realitäten des 21. Jahrhunderts inhaltlich, formell und wirtschaftlich in Bezug zu setzen.
Die von allen Beteiligten in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Bürgerbeteiligung sollte weiterhin der Anspruch sein, damit unabhängig vom Ausgang der Bewerbung eine neue Kultur der Kultur wirksam wird. Dann kann ein weiterer Artikel dem Rheinischen Grundgesetz hinzugefügt werden: Artikel 6: Kulturhauptstadt Köln – Wir überleben das!
Der Autor arbeitet als Programmmacher für den Verlag Kiepenheuer & Witsch in Köln und ist Mitbegründer und Veranstalter des nächsten Mittwoch startenden großen Internationalen Literaturfestes lit.COLOGNE. Zur Diskussion um die Kulturhauptstadt siehe auch die taz vom 12.2, 18.2, 26.2 und 4.3. 2004. Heute um 20.30 Uhr veranstaltet die taz in der Filiale der Mayerschen Buchhandlung am Neumarkt eine Diskussion mit prominenter Besetzung zum Thema: „Leben wir das? Köln als Kulturhauptstadt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen