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Ohne Umsteigen durch Europa

Die Zeit der stickigen Luft, geschwollenen Beine und stundenlangen Staus ist vorbei: Busunternehmen konkurrieren mit der Bahn in Service und Preis. Vor allem ab nächsten Sonnabend, wenn der neue ZOB in Hamburg offiziell eröffnet wird

von LENA ULLRICH

Abfahrt: Zentraler Omnibus Bahnhof Hamburg. Das klingt nicht nur umständlich, es war bisher auch so. Bis Reisende ihren Bus gefunden hatten, war der oftmals schon weg. Seit Juni 2001 hat die Sprinkenhof AG deshalb den ZOB hinter dem Hauptbahnhof renoviert. Am 24. Mai eröffnet Hamburg seinen neuen Zugang zur Welt: 50 Unternehmen des privaten Omnibusgewerbes fahren regelmäßig von dort nach Berlin und in die großen Städte Europas. Unter dem elf Meter hohen Glasdach warten Restaurants, Duschräume und Reisebüros auf die Besucher.

Das Wort „Kundenservice“ schreibt der ZOB jetzt groß. Der reicht vom Ausbau des Sicherheitskonzeptes bis hin zu einer verlässlichen und modernen Fahrplanauskunft. In Zukunft können sich Reisende im Internet unter www.zob-hamburg.de über die Abfahrtzeiten und Nummer des Bussteiges informieren. Im ZOB weisen Infosäulen, Touch-Displays und Anzeigetafeln den Weg. Das erinnert doch... Ja richtig, die Omnibusbetriebe scheuen vor Vergleichen mit der Bahn nicht mehr zurück.

Wer bei Busreisen nur an Umwege, Staus, Verkehrsunfälle, wenig Beinfreiheit und stickige Luft denkt, ist überrascht. Die „Gütegemeinschaft Buskomfort“ verleiht den Hamburger Reisebussen je nach Standard bis zu fünf Sterne. Ein Vier-Sterne-Bus, den zum Beispiel die Veranstalter „Globe Trotter“ oder „Reise Ring Hamburg“ einsetzen, ist mit Klimaanlage, WC, Miniküche und Sitzen im Mindestabstand von 83 Zentimetern ausgestattet – der Sitzabstand in einem ICE-Großraumabteil zweiter Klasse ist auf 44 Zentimeter genormt.

Der Geschäftsführer des ZOB, Christoph Levin, sieht im Busfahren einen neuen Trend: „Linienbusse erfreuen sich wachsender Beliebtheit unter Leuten, die es nicht eilig haben, aber preisbewusst sind. In Städtetouren und Studienreisen sind wir der Bahn überlegen, die auf das Schienennetz beschränkt ist“, sagt Levin.

Dennoch nutzen bisher jährlich nur rund zwei Millionen Fahrgäste Omnibusse – die Fahrzeuge des innerstädtischen HVV mit eingeschlossen. „Auf vielen Strecken ist die Bahn einfach schneller“, erkennt Levin an. „Aber die Ansprüche der Leute sind ja auch verschieden. In der Bahn kann man sich die Beine vertreten. Dafür sichert die Fahrkarte keinen festen Sitzplatz.“

Ein weiterer Vorteil der Busreisen: Es gibt direkte Verbindungen. Ist das Gepäck einmal im Kofferraum verstaut, kann sich der Fahrgast bis zur Ankunft auf seinem Sitzplatz zurücklehnen. Lange Wartezeiten auf eine Anschlussverbindung entfallen. Besonders bei Fernreisen mit viel Gepäck zahlt sich dieser Vorteil aus. Zudem garantiert der Zusammenschluss europäischer Omnibusbetriebe „Eurolines“ seinen Fahrgästen einen festen Fahrplan und konstante Preise.

Mit Fahrplanausfällen hat der Busreisende selten zu rechnen, beteuern die Veranstalter. Anders als die Bahn sind Busse flexibel und können Unfallstellen oder Straßenarbeiten umfahren. Auch einen Buchungsstopp gibt es bei Omnibusbetrieben oftmals nicht: Ist die Nachfrage groß, „setzen wir einfach mehr Busse ein“, so Volker Breckwaldt, Sprecher von Berlin-Linien-Bus.

Auf bestimmten Linien können die Busse sogar in ihren Fahrzeiten mit der Bahn konkurrieren. Zum Beispiel fährt der Berlin-Linien-Bus, eine Tochterfirma der Deutschen Bahn AG, mehrfach täglich in drei Stunden und zehn Minuten von Hamburg nach Berlin. Mit der Bahn dauert die Reise zwischen zwei und drei Stunden. Und: Bei manchen Verbindungen müssen Zugreisende umsteigen. Eine Hin- und Rückfahrt mit dem Berlin-Linien-Bus kostet regulär 37 Euro, zu einzelnen Abfahrtszeiten ist es noch günstiger. Kostenersparnis gegenüber der Bahn: Bis zu 70 Euro.

„Ein Fehler der Bahn ist das neue Preissystem,“ sagt Volker Breckwaldt, Sprecher von Berlin-Linien-Bus. „Preise, an die Bedingungen geknüpft sind, verwirren die Kunden. Bei uns ist das alles deutlich und klar.“ Ein weiterer Service der Busbetriebe: Allein reisende Kinder werden von einem Steward betreut. „Damit bekommen wir allein erziehenden Müttern entgegen, die ihre Kinder auf der Reise nicht immer begleiten können,“ so Breckwaldt.

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