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Einer für alle

Fernsehsender setzen auf die Moderatoreneinfalt. Denn weniger ist mehr: Gesichter wollen wiedererkannt werden

VON DANIEL SCHULZ

Jörg Pilawa ist überall. Stellt Fragen beim Quiz, verkuppelt Menschen bei „Herzblatt“ und wird heute Abend („Germany 12 Points!“ 20.15 Uhr, ARD) die deutsche Vorausscheidung zum Schlager-Grand-Prix moderieren. Und es gibt andere wie ihn: Günther Jauch, Kai Pflaume, Monica Lierhaus, Jörg Thadeusz – Gesichter, die im Fernsehen immer wieder auftauchen.

Fernsehsender setzen zunehmend auf diese Dauermoderatoren – wenige bekannte Menschen, die möglichst viele Sendungen moderieren. Schon 2001 stellte der Geschäftsführer des Grimme-Institutes, Bernd Gäbler, einen „Trend zur Reduktion auf wenige“ fest. Immer mehr Sender identifizierten sich mit ihrem Personal.

Das müssen sie auch. Um dem Zuschauer nicht verloren zu gehen. Die meisten der 18 Millionen Kabel-Haushalte in Deutschland können mindestens 33 Programme empfangen. Wer sich einen Satellitenanschluss leistet, darf 200 Kanäle gucken. Der moderne Zuschauer ist zudem ein treuloser Vagabund – es ist immer weniger wahrscheinlich, dass er einen bestimmten Sender einschaltet. „Und wenn er das tut, sollte er ein Gesicht sehen, das er kennt“, sagt Jürgen Meier-Beer, Unterhaltungschef des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Denn bei bekannten Gesichtern bleibt der Zuschauer kleben. Treu ist der Mensch nur dem, den er persönlich kennt. Die Illusion, einen Fernsehmenschen zu kennen, speist allein dessen fortgesetzte Anwesenheit. Im Meer der vielen Programme ist der Moderator das, was der Begriff Anchorman verheißt – ein Anker, ein Rettungsanker eben.

Außerdem hat die größere Sendervielfalt eines nicht gebracht – Sendungsvielfalt. So wie die eine Show heißt, sieht die andere aus: „Deutschland sucht den Superstar“ und „Star Search“ gleichen sich ebenso wie „Wer wird Millionär“ und „Das Quiz“. Allein ist eine solche Sendung nicht zu verkaufen. Das Einzige, wodurch sich viele Shows unterscheiden, ist der Moderator. „Mehr als die Hälfte unserer Wahrnehmung gilt den sichtbaren Erscheinungen der Moderierenden“, sagt Sebastian Köhler, der an der Universität Leipzig Fernsehjournalismus lehrt. Ein Viertel der Aufmerksamkeit bleibt noch für die Stimme und nur ein Zehntel für den Inhalt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Fachredakteure selbst durch die von ihnen recherchierten Sendungen führten. Gesicht und Ausstrahlung müssen stimmen. Der Moderator ist die Show. Deshalb muss er oft gesendet werden. Der Zuschauer suche in einer individualisierten Welt nach Gemeinschaft, sagt TV-Forscher Köhler, mit dem Moderator könne er sich identifizieren. Und ebenso wird der Sender mit dem Moderator in Verbindung gebracht. Oft will die Fernsehanstalt das auch, wie RTL mit Günther Jauch beweist, der nicht nur das „Millionär“-Quiz und „stern TV“ moderiert, sondern auch noch Skispringen.

Sat.1 hingegen wollte es beim wenig pflegeleichten Harald Schmidt nicht. Und eigentlich funktioniere die Identifikation nur mit einzelnen Sendungen, sagt NDR-Unterhaltungschef Meier-Beer, nicht mit einem ganzen Sender. „Dazu bieten zumindest die Öffentlich-Rechtlichen ein zu breites Spektrum“, sagt Meier-Beer, der für die Auftritte von Pilawa im späten Abendprogramm verantwortlich ist. Corporate Identity ist nicht so simpel herzustellen. Vielmehr, so Meier-Beer, brauche es eine „Familie von Gesichtern“. Für die ARD sollen das zum Beispiel Jörg Pilawa, Monica Lierhaus und der „Tagesschau“-Mann Jo Brauner sein. Wer in dieser Familie jedoch Vater, Mutter und Kind ist, will Meier-Beer nicht bestimmen. Stattdessen sagt er Pilawa Großes voraus: Mit den Quizshows habe er eine solide Basis, große Abendshows könne er ebenfalls moderieren und journalistisches Talent würde er in der NDR Talk-Show beweisen.

Einer Gefahr will die ARD allerdings ausweichen – sich allzu sehr von einer Person abhängig zu machen. „Wenn Günther Jauch bei RTL geht“, sagt Meier-Beer, „können die zumachen.“ Er sei heilfroh, dass er nicht derjenige sei, der einen Nachfolger suchen müsse.

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