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In der U 7

„Ficki-ficki?“

Ich war auf dem Weg zum Adenauerplatz, um Arno Funke zu treffen, den ehemaligen Kaufhauserpresser „Dagobert“. Ende Dezember wird er mit Ton Steine Scherben zum 50-jährigen Bühnenjubiläum der Renft-Combo das Lied „Lass uns das Ding drehen“ singen. Funke kann machen, was er will, er wird die alte Geschichte nicht los.

Das waren meine Gedanken, als ich an der Möckernbrücke in die U 7 stieg. Der Wagen war relativ leer. Links von der Tür, auf den zwei kurzen Bänken, saß jeweils eine Frau. Die eine trug Kopfhörer, schied also als Sitznachbarin aus. Ich nahm gegenüber bei einer Frau Platz, die um die 50 war, kurze, graue Haare und eine dunkelgrüne Jacke trug. Sie umfasste einen Einkaufsbeutel, als sei er ihr einziger Halt im Leben. Auf ihrem Gesicht lag ein zutiefst schwermütiger Ausdruck. Depressionen, dachte ich.

Kurz vor Eisenacher Straße kam ein stämmiger Mann mit fleischigen Lippen zur Bank und zwängte sich zwischen die Frau und mich. Ich tippte auf Alkoholprobleme. Oder Schlimmeres. Nach wenigen Sekunden drehte er sich zu der Frau mit dem Beutel: „Ficki-ficki?“ Ich dachte, ich höre nicht richtig. Als er seine Worte wiederholte, wusste ich, dass ich richtig gehört hatte. Ich warf einen Blick zu der Frau, um zu sehen, ob sie Hilfe bräuchte. Ohne den Mann anzuschauen, sagte sie mit der tonlosesten Stimme, die ich je gehört habe: „Hau ab.“ Sie kannten sich offenbar. Der Mann murmelte so was wie: „Erst Kuss, dann nix Ficki-ficki“, und trollte sich. Zurück blieb die Frau, neben ihr ein Plakat für „Fly me to the moon“.

Arno Funke hat dann viel über ein neues Buch gesprochen, an dem er schreibt. Es geht um das Sexualverhalten von Tieren. Das findet er spannender als das der Menschen. BARBARA BOLLWAHN

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