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Urdrüs wahre KolumneGrenzgängerInnen

„Ich arbeite für Sie als Grenzgängerin zwischen Politik, Wissenschaft und Kultur, elegant und unkonventionell im Stil, lustvoll im Kombinieren von Kontakten aus allen gesellschaftlichen Gruppen, mit einem Gespür für Ästhetik und Feinsinn.“ Ist es nicht eine Jemandin mit solch charmant ziselierter Selbstdarstellung, die Bremen für die nächsten Jahre dringlicher braucht denn je? Sie ist zu haben auf dem Arbeitsmarkt, diese Frau mit den vielen guten Eigenschaften. Heißt Dr. Helga Trüpel, und nachzulesen ist die öffentliche Bewerbung um Ihren Nicht-nur-Wähler-Auftrag im Bremer Frauen-Branchenbuch „Extraseiten 2003“ zwischen den Stichworten „Wein“ und „Yoga“ in der Rubrik „Werbung“. Ist es nicht der Feinsinn, der diesem Gemeinwesen am meisten abgeht?

Die Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft will jetzt auch die ausgebluteten Leichenteile aus dem Plastiksack der durchgeknallten Beuys-Imitatoren Gunter und Hagen nach Bremen holen, statt endlich wieder mal die knackigen Körperwelten der Catcher in die Halle für alle zu bringen. Angesichts der damit demonstrierten leistungs- und lebensfeindlichen Position ist es umso bemerkenswerter, dass es jetzt mit dem Ex-Ringer und Top Gym-Betreiber August Smisl einem Bürger dieser Stadt gelang, in Heppenheim Deutscher Meister im Power-Armdrücken zu werden. Als gelegentlicher Trainer und Sparringspartner dieses Modellathleten fordere ich Senatsempfang und Krüppel-von-Bremen-Medaille, aber subito: „Gustl, wir sind stolz auf dich!“

Weil die Schill-Parteigenossen sich mit ihrem Programm jetzt doch noch vor den Bürgerschaftswahlen bei Radio Bremen präsentieren dürfen, möchte auch ich als Intendant dieser drei- bis vierspaltigen Sendeanstalt wider öffentliches Unrecht die wichtigsten Ziele dieser Partei in die Buten & Binnen-Welt hineintragen: 1. Neue Uniformen mit Leuchtfarbe für den sicheren Darkroom- Besuch, 2. Prügelstrafe für Schulschwänzer und 3. Keine Schill Out-Zonen, nirgendwo. Der Rest ergibt sich dann von selbst.

Dass wir in Lebensmittelmärkten auch Grillgeräte und Radiowecker kaufen können, wundert uns ja schon lange nicht mehr. Diese Kundin aber fragt am Regal mit den Drogerie-Artikeln nach einer Wurmkur für ihren Cockerspaniel, denn „Hundefutter haben Sie ja auch.“ Die Verkäuferin indessen weiß „Sowas haben wir nicht und kriegen wir auch nicht rein“, und die Hundehalterin ist schwer vergrätzt. Sollse doch mal in der Apotheke nach Chappi fragen, die haben ja auch Wurmkur.

Im Kampf gegen prosperierende Kneipen in dieser Gemeinde haben VEB Planamtswirtschaft und jetzt auch die HO Kulturklimbim als sozialneidische Parasiten nach dem Waller Hafencasino das Café Übersee in ihr Visier genommen, um es zunächst der Schickerisierung und anschließend der schleichenden Ausplünderung durch das örtliche Freitrunk-Gesindel zu überantworten. Als gemeinnützige Trinker sagen wir NEIN zu dieser Strategie, hauen als Arbeiter der Stirn und der Faust auf jeden erreichbaren Resopaltisch und sprechen dem bösen Kuno und seinen Kollegen fraktionsübergreifend jede Befähigung dazu ab, auch nur den Dropsverkauf im Kiosk an der Grundschule zu organisieren. Immer noch nix vom Trauerspiel um den Ratsweinverkauf gelernt?

Wer selbst mit dem Vertrieb von Alkohol im Land der Säufer und Henker noch in die Miesen trudelt, dem nützen auch die schönsten Kanzlerbriefe und die wärmsten Händedrückereien nichts mehr, weiß

Ulrich „Prostata“ Reineking

PS: Hirtenwort zur Wahl gefällig? Bisschen sehr viel mehr sehr sehr links, bitte sehr! Oder einfach baden gehen ...

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