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Kasparow kam, zog und signierte

Der Schach-Superstar macht auf seiner Buchvermarktungstour Station im KaDeWe und schlägt 24 Berliner. In gerade mal 2 Stunden und 20 Minuten

Er ist einer der ganz großen Superstars des Sports. Überall auf der Welt kennt beinahe jedes Schulkind seinen Namen. Garri Kasparow gilt nach wie vor als der beste Schachspieler aller Zeiten. Doch in Schachkreisen wird behauptet, er habe viel von seiner alten Spielstärke verloren. Der Schachmillionär sei mehr an der Vermarktung seiner Person interessiert als an der Verbesserung seines Spiels.

Wegen eines Sponsorentermins war Kasparow am Samstag nach Berlin ins Kaufhaus des Westens gekommen, um eine Simultanveranstaltung zu spielen. Und wer sich in die fünfte Etage des Konsumtempels gekämpft, dort die teuren Dekostoffe und gestylte Halogenlampen hinter sich gelassen und zu dem frei geräumten Eckchen mit den 24 Schachbrettern durchgedrängelt hatte, fragte sich unwillkürlich: Warum tut sich ein Genie so etwas an?

Bevor es losging, signierte Kasparow die ersten zwei Bände seines schachtheoretischen Werks mit dem Titel „Meine großen Vorkämpfer“. Der Verleger des großen Testaments der Schachpropheten, Manfred Olms, stand grinsend neben seinem Autor und freute sich über den großen Andrang. Er berichtet von seinen Verlegerleiden. Kasparow sei ganz anders als andere Prominente, arbeite völlig selbstständig und habe ständig Verbesserungswünsche, die eingearbeitet werden müssten. Wenn demnächst die zweite Auflage des ersten Bandes erscheine, müssten vorher mehr als 150 Änderungswünsche des Meisters eingearbeitet werden. Ja, sagt Olms, Kasparow schreibe seine Bücher wirklich selbst.

Überhaupt sei er ein faszinierender Typ. Vor kurzem hatte Olms das Vergnügen, Kasparow als Referenten bei einem Vortrag vor Spitzenmanagern in Interlaken bewundern zu dürfen. Es sei faszinierend gewesen. Die Frage, ob derartige Aktivitäten die Leistungsfähigkeit Kasparows nicht beeinträchtigen würden, versteht Olms zunächst gar nicht. Dann sagt er: „Damit tut er doch so viel für den Schachsport und damit auch für sich.“

Unter den 24 Gegnern Kasparows waren sieben Nachwuchsspieler aus dem Bereich des Berliner Schachverbands. Sie grinsten nach jeden Zug, rutschten auf den Sitzen hin und her und winkten den Bekannten, die sie im Publikum ausgemacht hatten. Die umstehenden Schachexperten staunten vor allem über zwei von ihnen nicht schlecht. Die Berliner Meisterin in der Altersklasse U 18, Alina Rath, hielt sich lange Zeit ebenso gut wie der 17-jährige Jan Zur. Doch noch mehr staunten die Zuschauer, wie schnell es Kasparow dann gelang, Alina Rath den Schneid abzukaufen. Drei Züge, die so keiner der Experten gesehen hatte, zwangen die junge Frau zur Aufgabe.

Jan Zur hielt sich da viel länger, ging mutig mit dem Meister mit und riskierte mehr als die meisten anderen Hobbyspieler in der Runde, die doch allzu sehr auf das Verteidigen ihrer Figuren aus waren. Er wurde am Ende mit dem zweiten Platz belohnt. Den vergab der Meister höchstpersönlich. Kasparow hatte nämlich nach zwei Stunden und 20 Minuten alle Partien gewonnen und bewertete anschließend die Partien. Gewonnen hat der Berliner Jens-Uwe Jaeschke, der es als Einziger vermochte, einen Angriff Kasparows so zu beantworten, dass dieser sich zwischenzeitlich wieder zurückziehen musste.

Stolz nahm Jaeschke die Ehrung entgegen. Es war sicher ein großer Tag für den Berliner Vereinsspieler. Kasparow absolvierte souverän die Gratulationsprozedur, schrieb fleißig Autogramme und zog sich alsbald wieder zurück. Für ihn war es sicher kein großer Tag. Es war ein routinierter Auftritt, mit dem er etwas für den Schachsport und damit eventuell auch für sich selbst getan hat. ANDREAS RÜTTENAUER

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