: h.g. hollein Ex und hopp
Die Frau, mit der ich lebe, stellt manchmal so Fragen. Etwa die, ob ich schon einmal in einem Bordell gewesen sei. Die Geschichte, die ich der Gefährtin daraufhin erzählte, vermochte ihren Wissensdurst zwar nur partiell zu befriedigen, fand aber trotzdem ihr Interesse. Als ich einmal in Mettmann weilte - das ist im Neandertal, da, wo die Düssel sich eilfertig bemüht, das Bergische Land hinter sich zu lassen – führte mich der Durst an den Tresen der Pension, in der ich nächtigte. Dort arbeiteten bereits fünf Herren aus England ihr offenbar allabendliches Bierpensum ab. George, Harry & Co. verdienten ihr Geld mit der Außenreinigung von British-Airways-Jets, und ob sie das nun in Singapur, Nairobi oder Düsseldorf taten, war ihnen herzlich schnuppe. Nach der zweiten Runde schob ein pakistanisch aussehender junger Mann den Kopf zur Tür herein, sagte „Taxi“, woraufhin George und Harry sich von ihren Barhockern schwangen, mit zwei Fingern dem Wirt beschieden, er möge doch die Luft aus den Gläsern lassen und sich trollten. Der Mann hinter dem Tresen tat zunächst nichts dergleichen, aber als wir Zurückgebliebenen vielleicht eine halbe Stunde später die nächste Runde orderten, stellte er wortlos zwei frisch gezapfte Pils vor die leeren Barhocker. Und wie in einer guten Choreographie öffnete sich die Tür, George und Harry traten ein, bezogen wieder Posto und griffen in stummer Synchronität zum Glas. Auf sein scheinbar hellseherisches Timing angesprochen, meinte der Wirt nur: „Oh, heute ist Freitag, da fahren sie immer ins Gigi.“ Ich war beeindruckt. So beiläufig hatte mir noch nie jemand demonstriert, was der Westfale mäßig delikat „mal eben einen wegstecken“ nennt. Im Neandertal kommt man eben schnell, und das nicht nur zur Sache.
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