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„Leben wie auf einer Hallig“

Beim Matsch und Nieselregen erklärte Landesarchäologin Uta Halle, was sie in Stelle ausgegraben hat: 2.000 Jahre alte „eisenzeitliche“ Tonscherben und eine Hofstelle aus dem Mittelalter

Interview Klaus WOLSCHNER

taz: Frau Halle, hier haben um Christi Geburt schon Menschen gewohnt? Woher wissen Sie das?

Uta Halle, Landesarchäologin: Hier haben sich Menschen aufgehalten. Wir haben hier einige eisenzeitliche Scherben gefunden, die aus der Zeit um Christi Geburt stammen.

Da hat jemand Töpfe zerschmissen?

Die Scherben lagen in den Spuren einer Besiedlung, die zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert hier war.

Dass die Frauen im Mittelalter tausend Jahre alte Tongefäße benutzt fallen ließen ...

... erscheint ziemlich unwahrscheinlich. So ein Topf bestand aus Keramik und hielt nicht so lange.

Wie unterscheiden Sie die Scherben aus der Eisenzeit von den Mittelalter-Scherben?

Die unterscheiden sich generell durch ihre Herstellungsart, ihr Aussehen, ihre Form. Eisenzeitliche Scherben haben wir übrigens früher schon an verschiedenen Stellen auch in Bremen gefunden.

Das Spannende hier sind die mittelalterlichen Funde?

Deswegen haben wir sechs Monate lang die Grabungen gehabt. Die Bundesregierung hat das aus dem Topf für den Autobahnbau mit 200.000 Euro finanziert.

Wie sind sie auf die Idee gekommen, hier, mitten in der Pampa auf der Trasse der Autobahn A 281, zu buddeln?

Das ist für Archäologen keine Pampa, das Gelände steht in Teilen unter Denkmalschutz. Hier liegen – wie Perlen entlang der Ochtum – 19 Wurten, also aufgeschüttete Wohnhügel, auf denen im Mittelalter die Höfe des Dorfes Stelle gelegen haben. Dieses Dorf ist aus Urkunden bekannt, auch aus alten Karten.

Jedes Haus hatte eine Wurt?

Jeder Hof, auf anderen Wurten ist auch Handwerk betrieben worden, hier nicht. Wir haben hier Spuren der mittelalterlichen Wohnbebauung feststellen können, Gruben, verschiedene Rinnen, deren Funktion wir uns im Moment noch nicht erklären können. Wir haben gestern hier ein Rinderskelett gefunden – genau zwischen zwei Pfosten eines Hauses, der Kopf war vorhanden, von den Beinen gab es keine Überreste. Auch das ist merkwürdig.

Wie weit ist das nächste Dorf entfernt gewesen?

Das lag in Sichtweite, Strom. Nach den Urkunden ist Strom etwas später gegründet worden. In Strom ist allerdings noch nie gegraben worden.

Hier in Stelle ist heute nichts mehr, nur Feuchtwiesen.

Die Siedlung ist um 1400 aufgegeben worden. Das Land hier war ja von der Ochtum jedes Frühjahr wochenlang überschwemmt gewesen. Vielleicht sind einige nach Strom gezogen, vielleicht einige auch in die Stadtmauern von Bremen. Damals machte Stadtluft ja sprichwörtlich frei.

Wie weit lagen die Höfe auseinander?

Hundert, zweihundert Meter.

Ziemlich einsam.

Das Leben da muss man sich vorstellen wie heute auf einer Hallig. Wir haben aber Hinweise, nach denen man sich mit flachen Booten über die überschwemmten Wiesen bewegen konnte.

Sie werten Ihre Funde mit Ihren Studenten aus – wie lange wird das dauern?

Zwei, drei Jahre, je nachdem ob auch Doktoranden dabei ein interessantes Thema finden.

Und was kommt für Sie?

Der Autobahntunnel bei Seehausen. Da gab es einzelne Funde aus der Römerzeit. Wir hoffen, dass die Bagger mehr zutage fördern.

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