: Kein Stimmrecht für Studenten
40 neue Professuren will die Leuphana Universität Lüneburg einrichten. Normalerweise entscheiden Studenten bei Berufungsverfahren mit, diesmal jedoch soll die Komission extern besetzt werden
VON FLORIAN ZINNECKER
Das erste Mal ist es nicht – jedoch das erste Mal im laufenden Wintersemester, dass dem Präsidium der Leuphana Universität Lüneburg undemokratisches Verhalten vorgeworfen wird.
Der aktuelle Aufreger: das Berufungsprocedere für Professuren – von denen in den nächsten Monaten rund 40 neu eingerichtet werden sollen. Die Frage ist: Wer darf mitentscheiden, welcher Bewerber eine ausgeschriebene Professur bekommt?
Auslöser des Unmuts ist ein Papier, das der Präsident in der vergangenen Woche dem Senat vorgelegt hatte. Demnach sollen die Berufungskommissionen – anders als üblich – extern besetzt werden. Und nicht intern aus mindestens drei Professoren, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, einem Studierendenvertreter und einem Verwaltungsmitarbeiter. Das Problem: In externen Kommissionen hätten Studenten kein Stimmrecht.
Skandal, schrien da die studentischen Senatoren Daniela Steinert, Matthias Fabian und Thies Johannsen – und proklamieren per Pressemitteilung: Lüneburger Uni-Präsident greift universitäre Grundrechte an. Die Präsidiumsentscheidung sei die „wissenschaftliche Bankrotterklärung der Leuphana“: Künftig würden Auserwählte des Präsidenten entscheiden, wer lehren und forschen darf, prognostiziert Johannsen. „Das Vorhaben des Präsidenten kommt einer faktischen Abschaffung der demokratischen Hochschule gleich.“ Offensichtlich halte das Präsidium die Hochschulgemeinschaft nicht für kompetent, die fachliche Eignung von BewerberInnen zu beurteilen, sagt Fabian. Die Einrichtung externer Kommissionen sei legal und legitim, aber nur in Ausnahmefällen.
Einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des neuen Stiftungsrats am Dienstag hatten sich Steinert, Fabian und Johannsen in einem offenen Brief an die Räte gewandt. Der Inhalt: die Bitte, die Etablierung der externen Kommissionen abzulehnen. Ein Tag später folgt ein zweites Schreiben, diesmal unterschrieben von 25 Professoren. Das Thema ist identisch: Die vorgelegten Vorschläge seien inakzeptabel, „wir bitten den Stiftungsrat eindringlich, einem solchen Vorhaben Einhalt zu gebieten“.
Da liege ein massives Missverständnis vor, entgegnet Präsidiumsmitglied Ferdinand Müller Rommel. „Ich habe gestern mit einigen der Unterzeichner gesprochen. Es wird behauptet, wir hätten mit den Professoren nicht gesprochen, sondern hätten ohne Rücksprache eine externe Kommission eingesetzt.“ Das sei sachlich falsch: In jedem der betroffenen Fachbereiche habe das Präsidium das Modell vorgestellt. Und gefragt, ob es damit Probleme gebe. „Keiner! Keiner der Anwesenden hat Probleme gesehen. Und deshalb bin ich auch sicher, dass wir nicht an den Kollegen vorbei entscheiden“, sagt Müller Rommel.
Im Übrigen habe das Präsidium im Ministerium eine Sonderregelung: „Wir setzen die Kommissionen aus vier externen und zwei internen Mitgliedern zusammen. Unsere Professoren sollen und wollen mitbestimmen.“ Die Studierenden auch: „Studierendenvertreter sind beratend auch in vertraulichen Gesprächen dabei.“ Nur ein Stimmrecht hätten sie nicht. „Es ist ja nicht so, dass jede Partizipation immer gleich das Stimmrecht mit sich bringt. NGOs haben auch keins – und agieren trotzdem“, sagt Müller Rommel. Das Präsidium habe sich den entsprechenden Paragraphen im Niedersächsischen Hochschulgesetz nicht ausgedacht.
„Typisch“, sagt Fabian. „Was passiert, wenn man mitredet, aber kein Stimmrecht hat, zeigt dieser Fall: Hätte der Senat über die Kommissionen wirklich abstimmen dürfen, wäre das nie durchgegangen.“ Tatsächlich entscheiden durfte der neu bestellte Stiftungsrat der Leuphana, der am Mittwoch erstmals zusammentrat. Die Zustimmung erfolgte klar. „Wir sind begeistert von dem, was hier angestoßen wird“, sagt Stiftungsratsvorsitzende Marion Schick. Und meint damit wohl nicht die Proteste.
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