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bundesbank-autonomieZu viel Respekt schadet

Der Konflikt um Ernst Welteke hat die institutionelle Ebene erreicht. Die Bundesregierung fordert klar und deutlich den Rücktritt des angeschlagenen Bundesbankchefs, um über einen ihr wohl gesinnten Nachfolger noch auf lange Zeit geldpolitischen Einfluss ausüben zu können. Bedeutet dies einen Verstoß gegen das in Jahrzehnten bewährte Prinzip der Bundesbank-Autonomie?

KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Verdient haben die einstigen Währungshüter diesen Status nicht mehr. Sie stecken schließlich mitten im politischen Getümmel. Dabei geht es nicht nur um ihr ärgerliches Zaudern beim Abbau der Goldbestände. Mindestens genauso wichtig ist ihre Beratungsfunktion. In der Haushalts-, Steuer- und Konjunkturdiskussion haben sie Rot-Grün wiederholt angegriffen, zuletzt in der Diskussion um die Einhaltung der Maastricht-Stabilitätskriterien. Wenn ihr Chef dann solche Formschwächen zeigt, wie sie in dieser Woche erkennbar waren, dann ist des Finanzministers Suche nach einem willfährigen Nachfolger verständlich.

Auch das Erschrecken in Politik und Wirtschaft über die Beschädigung des Ansehens der Bundesbank ist unpassend. Die Aufregung resultiert aus der Geschichte des Hauses, ihre Autonomie gründet ausschließlich im währungspolitischen Stabilitätsgebot mit dem Recht auf unabhängige Zinsbeschlüsse – nun aber die Kernaufgabe der Kollegen von der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf eine institutionell abgesicherte Unabhängigkeit könnte die Bundesbank bei der Erledigung ihrer verbliebenen Tätigkeit durchaus verzichten: der Abwicklung des Zahlungsverkehrs und den Geldmarktgeschäften, geringer Bankenaufsicht und der Hausbankfunktion für den Bund.

Bleibt der Umstand, dass der Chef der Bundesbank zugleich eines der 18 Mitglieder des EZB-Rates und damit vor jeder politischen Einflussnahme zu schützen ist. Für sie nun gilt ein strikter Verhaltenskodex, der eine Sause im Hotel Adlon untersagt hätte. Der starrsinnige Welteke unternahm sie als Bundesbankpräsident, den die Bundesbank-Autonomie vor Abberufung schützt. In der einen Funktion hätte er gleich zurücktreten müssen, in der anderen ist zumindest der Druck der Bundesregierung auf den Bundesbankvorstand gerechtfertigt, selbst wenn die letzte Entscheidung auch weiterhin beim Bundesbankvorstand bleibt. In der einen Funktion lassen Welteke die Buchstaben, in der anderen lässt ihm der Geist keinen Ausweg.

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