: „Dann schick‘ ich dir Tulpen aus Potsdam …“
Am Wochenende feiert Brandenburgs Hauptstadt wieder ihr Tulpenfest. Ein echter Niederländer erklärt, warum Potsdam das bessere Holland ist
von SERGE SEKHUIS
Tulpenfest im Holländischen Viertel in Potsdam – das macht einen richtigen Niederländer aber neugierig: Handwerkstraditionen, Musikanten, historische Straßenfiguren, altholländische Kinderspiele, Sänger und Tänzer aus dem Tulpenland heißt es auf dem Werbeplakat. Drei blonde holländische Mädel – mit Zöpfen und in einer längst aus dem niederländischen Straßenbild verschwundenen, mir unbekannten Tracht – laden ein, daneben Burschen mit Tulpen in der Hand.
Sehr gerne erzählt Veranstalter Hans Göbel von dem „Förderverein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam“, auf welche typischen Traditionen man sich da am Wochenende so freuen kann. So kann er gleich mal seine Aussprache testen.
Unter den hundert Gästen aus dem Tulpenland gibt es die „Rikster Weber Gruppe“. Sie wird zeigen, wie man eigentlich klompendanst (mit Holzschuhen tanzt), bloemenvlecht (Blumenkränze bastelt) und zakloopt (in Säcken läuft). Es kommen außerdem ein Delfter Keramikmaler, ein Mühlenbauer, ein Kerzenzieher, ein Schmied und ein Senfmacher. Ob die dann auch Steltlopers (Stelzenläufer) mitbringen – oder ein kleines Aardappelrace (Kartoffelrennen) organisieren? Nachdem der richtige Niederländer erklärt hat, was das jeweils eigentlich ist, sagt der kluge Herr Göbel nur, dass es noch ein paar Überraschungen geben muss.
Fest steht jedenfalls: Eine draaiorgel (Drehorgel) soll zwei Tage Musik spielen im Viertel, mit Sicherheit das leidige „Aan die Amsterdamse grachten“ sowie das ewige „Tulpen aus Amsterdam“, wenn der Frühling kommt. Weitere musikalische Unterhaltung kommt von verschiedenen blaasorkesten (Blasorchester) und fanfares (in etwa das Gleiche), unter denen De Brandhoutjes (Die Holzspäne) und De Blaos Poepers. Die seien hier nicht übersetzt, nur so viel: Poepen macht man in Holland meistens auf der Klo. Veranstalter Göbel liebt die holländischen Straßenkapellen mehr als die deutschen, Erstere hätten mehr „Pep und Swing“, meint er. Da hat er natürlich Recht.
Markant ist das holländische Viertel in der Potsdamer Altstadt schon, insbesondere wenn man es als Niederländer zum ersten Mal besichtigt. Häuser aus rotem Backstein mit authentischen Glocken- und Treppengiebeln – gleich fühlt man sich ein wenig zu Hause. Die Häuser wurden um 1740 gebaut und sollten Handwerker aus den Niederlanden locken. Heute sind sie touristisch komplett erschlossen: Boutiquen, Antiquitätenläden und Restaurants machen gute Geschäfte. Und wer ganz genau hinschaut, findet sogar einen Coffeeshop – auch wenn hier eher Kaffee dran steht.
Dreimal im Jahr herrscht im Viertel besonders reges Treiben: beim Tulpenfest, beim Töpfermarkt im September und beim holländischen Weihnachtsmarkt mit Sinterklaas. Dann auch gibt es koekhappen zu essen (Pfefferkuchen, die in Holland an einer Wäscheleine aufgehängt werden und mit verbundenen Augen davon abgegessen werden müssen).
Eines hat das Viertel auf jeden Fall mit wirklich niederländischen Attraktionen wie dem Keukenhof gemeinsam: Man sieht kaum einen Niederländer. Genau ein Landesgenosse wohnt zurzeit im Potsdamer Viertel, weiß Göbel. Sein Tulpenfest ist also vor allem eine Folkloreangelegenheit: Es geht darum, die Kasse zu specken (zu füllen).
Denn wer denkt, dass wir blöden Holländer uns jeden Tag nur voll fressen mit poffertjes (kleinen Pfannkuchen), pindakaas (Erdnussbutter) und drop (saure Drops) und uns abends maßlos an der Jeneverflasche laben, der hat nichts verstanden – vom holländischen Volkscharakter. Aber viel von unserem Geschäftssinn.
Potsdam feiert sein 9. Tulpenfest am Samstag und Sonntag jeweils von10 bis 19 Uhr.
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