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Ein Platz für schlaue Faule

Sitz- und Liegegelegenheiten für den Garten sind eine Kunst für sich. Die Auswahl an Materialien und Stilrichtungen ist vielfältig. Nach der Retro-Welle in den Achtzigern wird es nun wieder fortschrittlicher

Platz nehmen im Grünen: Alu oder Faserzement? Klassik oder Pop?

von MICHAEL KASISKE

Die Einträge im Internet zu Gartenmobiliar drängen den Eindruck auf, das Gärtnern sei nur ein Teil im Aktionsprofil derjenigen, die sich in Kleingärten, ums Eigenheim oder auf der Loggia betätigen. Offensichtlich vervollständigt es sich erst durch Schreinern und Schlossern der eigenen Sitz- und Liegegelegenheiten. Hermann Mattern, der große Landschaftsarchitekt des 20. Jahrhunderts, teilte solche Ansichten nicht. „Für den intelligenten Faulen“ gab er in den 1950er-Jahren ein Sonderheft der Zeitschrift Pflanze und Garten zum Thema Gartenmöbel heraus.

Auf der Rückseite der Schrift prangt denn auch der schaukelnde „Strandstuhl“ des Schweizer Designer Willy Guhl, der heute wieder aktuell ist. Das typische Produkt von 1954 wird aus einem Stück Faserzement von Eternit gepresst. Von der eidgenössischen Dependance der Berliner Firma wird der Stuhl bis heute vertrieben. Inzwischen ohne Asbest hergestellt, ist das Material im Gegensatz zu Stoff und Metall gerade am Meer unverwüstlich.

Die Pressform des „Strandstuhls“ findet sich im Möbel namens „PicNik“ der belgischen Firma Extremis wieder. Die Tisch- und Sitzeinheit wurde von den Designern Dirk Wynants und Xavier Lust entworfen und wird aus einer Platte aus zehn Millimeter starkem, massivem Aluminium gefertigt. Die Standardgröße des Materials wird so geschnitten und in Form gebracht, das zwei Erwachsene oder vier Kinder bequem sitzen können. Werden zwei Elemente aneinander geschoben, entsteht eine Tafel, an der sich gut speisen lässt. Entworfen wurde „PicNik“ für den Gebrauch auf kleinen Balkonen oder Terrassen, oder – weil das Material robust ist – für halb öffentliche Bereiche wie Restaurants oder Lounges.

Mit „Gargantua“ entwarf Dirk Wynants eine echte Tisch- und Sitzkombination, ebenfalls für Extremis. An der runden Tafel lassen sich in den vier schräg gestellten Beinen Bänke für jeweils zwei Personen einhaken, und zwar in zwei unterschiedlichen Höhen. Dadurch können Kinder oder kleine Menschen höher sitzen.

Die Möbel aus Aluminium erinnern an die Exponate, die Mattern seinerzeit vorstellte. Diese zeugten von einer Leichtigkeit, den dünne Stahlrohre und gestreifte Zeltstoffe ausstrahlen, mit Klapp- und Faltmechanismen der meisten Exponate jedoch auch verwirklicht wurde. Die aktuelle Produktpalette strotzt hingegen von solide erscheinenden Möbeln. Wie etwa die zahlreichen Produkte aus Teakholz, die mit dem Aufkommen der postmodernen Gestaltung in den 1980er-Jahren Urständ feierten. Vornehmlich in behäbigen Formen traten Bänke und Tische an die Stelle der sich nicht als unverwüstlich erweisenden Möbel aus Kunststoff entgegen und signalisierten Vertrauen in die Haltbarkeit. Die zunächst recht teuren Stücke erfreuten sich großer Beliebtheit, was sich an den zahlreichen Nachahmungen ablesen ließ. Der für die inzwischen einsetzenden Massenproduktion notwendige Raubbau an den Wäldern Asiens und Afrikas dringt leider nicht in das Bewusstsein der meisten Käufer.

Dagegen ist die Sitzgruppe „Tölt“, die der britische Designer Michael Young für Extremis entworfen hat, wohl fortschrittlich zu nennen. Es gelingt ihm nämlich, das formale Changieren des Design zwischen Pop und Klassik in den 1970er- und 1980er-Jahren mit dem synthetischen Material Coran und dem traditionellen Material Robinie neu einzufangen. Auf überzeugende Weise signalisiert das Ensemble „Ich bin eine Bank“ und „Ich bin ein Tisch“, und die bloße Funktionalität der perforierten Tischplatte, von der das Regenwasser ablaufen kann, erscheint in diesem Zusammenhang schon fast komisch.

Äußerlich klassisch erscheinende Strand- und Gartenmöbel bietet die süddeutsche Firma Weishäupl Möbelwerkstätten. Edle Sonnenschirme werden rund oder quadratisch in unterschiedlichen Größen, Tische und Liegen in kubischen oder verspielten Formen dekliniert. Die durch solide Qualität bestechenden Exterieurs bilden den geeigneten Rahmen für romantische Vorstellungen von Garten- und Strandfesten in großer Garderobe.

Wer auf eine gediegene Form nicht verzichten möchte, sich aber nicht mit witterungsabhängigem Mobiliar belasten möchte, dem bietet die Lüneburger Firma Dedon eine zeitgenössische Alternative. Ihr Programm umfasst klassisch geflochtene Korbmöbel, doch das Material ist eine Faser namens Hulero®. Dieses Material, ein Patent von Dedon, besteht aus abbaubarem Polyäthylen, das durchgefärbt, extrem robust, splitter- und abriebfest ist.

Was für den faulen Gartenliebhaber wichtig ist: Die Möbel sind unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und UV-Einstrahlung, müssen somit nicht ständig herein- und herausgetragen werden.

Besonders die Kollektion „Soho“ überzeugt durch ihre schlichten Formen. Ihr Entwerfer, der belgische Designer Frank Lighart, hat sich seine Kenntnisse für Flechtwerke im asiatischen Raum angeeignet. „Soho“ besteht aus Bänken und Tischen in unterschiedlichen Größen, die miteinander kombiniert werden können. Ob als Ablage oder als verfeinerte Version einer Bierbank, den dem Entwurf zugrunde liegenden Wunsch nach reduzierter Form und Kommunikation hat Lighart eingelöst. Die Lust an Freizeittätigkeiten besteht zu einem Gutteil eben doch aus geselliger Muße oder – wie Mattern meinte – dem intelligenten Faulenzen.

Strandstuhl von Eternit (www.eternit.ch) z. B. bei Modus, Wielandstr. 27, Berlin-Wilmersdorf. Extremis (www.extremis.be) und Weishäupl Möbelwerkstätten (www.weishaeupl.de) bei Kollwitz 45, Kollwitzstr. 45, Berlin-Pankow. Dedon (www.dedon.de) bei Thomas Herrendorf, Lietzenburger Str. 99, Berlin-Wilmersdorf

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