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Diese Jungs texten von unten

Am zweiten Tag nach Weihnachten im Festsaal Kreuzberg spielte die Band Superpunk aus Hamburg auf. Das hieß: Stücke, die die Stimmung heben, zu Texten, die von schlechter Laune handeln. Musik aus der Position der absichtlichen Außenseiter

VON RENÉ HAMANN

Erst krank, dann Superpunk. Nachdem die Weihnachtsfeiertage endlich vorüber waren, die in großen Teilen der Bevölkerung mit Erkältungen gefeiert wurden, eröffneten Superpunk die neue Saison, die Rückrunde in Sachen Rock- und Beatkonzerte im Festsaal Kreuzberg. Allerdings schien es, als seien noch nicht alle Stadtkinder aus ihren Elternhäusern zurückgekehrt. Oder Superpunk haben an Zugkraft verloren. Für Letzteres spricht, dass ihre größten Erfolge relativ am Anfang ihrer Karriere stattfanden und das letzte Album „Why Not?“ schon fast die Aura eines Alterswerks verströmt. Dementsprechende Hits hören auf die Namen „Baby, ich bin zu alt“ oder „Ich mag den Mann nicht, der ich bin“. Superpunk selbst nannten das eine „Reihe negativer Songs“. Diese Songs funktionierten prächtig, jedenfalls nicht schlechter als die anderen Stücke, die am Sonntagabend im Festsaal Kreuzberg dargeboten wurden.

Was auch einfach war. Superpunk sind eine ausgewiesene Gute-Laune-Band. Der Beat ist gut aus den Sechzigerjahren herausgehört, in Garagen und womöglich auf kleinen Hochzeitsfeiern prima ausgetestet. Die Musik geht nach vorne, immer. Superpunk berufen sich auf den Northern Soul, den Modrock, die Garage, den listigeren Punkstücken, und sie unterlegen den guten Beat mit ausgedacht guten, mal mehr, mal weniger (selbst-)ironischen, selbstverständlich deutschsprachigen Texten. „Ich habe nichts gegen die Reichen/ ich möchte ihnen nur ein bisschen gleichen? / Ich bin nicht böse geboren, ich wollte nur neue Zähne für meinen Bruder und mich“, so begründet sich ein guter Gaunerschlager, die Affirmation einer Geiselnahme. Superpunk, das ist im Wesentlichen Gitarrist und Sänger Carsten Friedrichs, texten von unten. Nehmen die leicht schrullige Position des absichtlichen Außenseiters ein. Schauen sich selbst schräg an. Kann sich mit allen gemein machen. Man schämt sich fast, dieser Band mit abstrakten Kommentaren zu kommen.

Also lieber aufs Geschehen geschaut: Superpunk sind zu fünft, neben Friedrichs spielt Lars Bulnheim die Gitarre. Tim Jürgen Bass, Thorsten Wegner wie schon bei der Vorband das Schlagzeug. Einen wichtigen Posten nimmt Thies Mynther an den Tasten ein. Mittlerweile sind die Herren allesamt älter geworden, Friedrichs wirkt ein bisschen wie die gute Seite Gunter Gabriels, wenn er mit weißen Sneakern und im hellblauen Hemd, das aus der Entfernung auch für ein Jeanshemd gehalten werden könnte, ein paar Sidesteps macht, während der er Rhythmusgitarre spielt oder seine schlicht gereimten Texte tieflagig brüllt. Mynther, unter anderem auch für Das Bierbeben, Tocotronic oder Stella tätig, klimpert auf seinen beiden Keyboards wie ein Kind mit AD-Syndrom oder ein Hysteriker auf Entzug, macht aber dennoch alles richtig. Vor der Band wird getanzt.

Das Rezept dieser gut zwölf Jahre alten Band ist nahezu perfekt. Swingende Nummern, die jede Haushaltsarbeit leichter machen und überhaupt die Stimmung heben, dazu geschickt platzierte Texte, die von schlechter Laune, Haushaltsarbeit, Entlassenwerden von Chef oder Freundin, Trinken oder untergegangenen Jugendkulturen („Das waren Mods“) handeln. Aber es könnte noch besser sein. Den Lokalpatriotismus verzeiht man ihnen, weil er aus der Weltstadt Hamburg, dem „Tor zur Welt“ kommt, und nicht aus Berlin, wo er nach Größenwahn und Nationalismus röche, oder aus Städten wie Köln, wo er außerhalb der Stadtmauern provinziell anmutet.

Was besser sein könnte, wäre der Grad der Inspiration, die Abwechslung, die Masche, die Superpunk auch mal fallen lassen sollten, um auf die alten Tage noch mal was anderes zu machen als gute Musik, die zum Herrengedeck in der Eckkneipe passt wie zur Party gut aufgeklärter Teeniebopper. Obwohl, das muss erst mal jemand nachmachen.

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