: Ökonomisches Abitur aus dem Münsterland
Erstmals soll im kommenden Schuljahr das Fach Sozialwissenschaften/Wirtschaft als Leistungskurs-Abitur-Fach zu wählen sein. Möglich macht das ein Modellversuch mit Praxisbezug aus dem Münsterland
MÜNSTER taz ■ Ab dem nächsten Schuljahr sollen Nordrhein-Westfalens Oberschüler endlich auch Wirtschaft als Abiturfach wählen können. Möglich macht dies ein Modellversuch, der im Raum der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordwestfalen durchgeführt wurde. Die Münsteraner Wirtschaftsvertreter entwickelten seit dem Jahr 1998 „Prawis: Praxiskontakte Wirtschaft – Wirtschaft in die Schule“.
Das Projekt wird neben der IHK noch vom nordrhein-westfälischen Schulministerium, der Bertelsmann-Stiftung und den Unternehmen in der Region unterstützt. Als Folge der jetzt zu Ende gegangenen Evaluierungsphase solle „unser Modellfall schnellstmöglich zum landesweiten Normalfall werden“, sagte IHK-Präsident Hubert Ruthmann gestern in Münster bei der Vorstellung der Ergebnisse der Schulversuche. Wirtschaft als Schulfach sei wichtig, denn „zurzeit verstehen die Bürger nur, dass sie heute mehr zahlen und künftig weniger haben werden“, woran das liege sei jedoch nicht erkennbar.
Diese Haltung kritisiert der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen, Andreas Meyer-Lauber. Die Aussage müsse angezweifelt werden, sagt Meyer-Lauber, denn man müsse schon fragen, „warum soll das ideologisch richtig sein“? Zudem werde durch das Engagement des Schulministeriums bei der IHK nur die betriebswirtschaftliche Sicht transportiert, die volkswirtschaftliche nicht. „Auf die Gewerkschaften ist das Ministerium nicht zugegangen“, sagt Meyer-Lauber.
Das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen will den Schulen für das nächste Schuljahr eine „Handreichung“ zukommen lassen, wie der Staatssekretär des Ministeriums Elmar Schulz-Vanheyden gestern auf der Veranstaltung ankündigte. Der Sprecher des Ministeriums, Ralph Fleischhauer, sagt: „Wir wollen die Schulen bei der Profilbildung unterstützen.“ Prinzipiell sei es zwar auch bisher schon möglich gewesen, diese Kurse anzubieten, allerdings wolle man die Unterstützung der Schulen intensivieren.
Das Projekt läuft im Raum der IHK Nordwestfalen seit dem Schuljahr 2000/2001. Die teilnehmenden Gymnasien kommen aus Dülmen, Rheine, Ostbevern, Münster, Steinfurt und Recklinghausen. An diesen Schulen bekommen rund 230 Schüler Paxiserfahrung in der Wirtschaft. „Zukünftig soll kein Abiturient die Schule ohne grundlegende wirtschaftliche Kenntnisse verlassen“, sagt IHK-Präsident Hubert Ruthmann. Aus diesen Gründen unterstützen auch die Sponsoren das Projekt. Das Verständnis von Wirtschaft als Erfolgsfaktor für Wohlstand und Sozialsysteme sei vor allem an den Gymnasien nur mäßig entwickelt, sagt Hans-Peter Kosmider, Vorstandsmitglied der westfälischen Provinzial, die als Sponsor des Projektes auftritt. „Schüler von heute sind Entscheidungsträger, Betroffene und Wähler von morgen“, sagt er. Er glaube daher, dass es zum Grundwissen im 21. Jahrhundert gehöre, die wichtigsten Wirtschaftsfragen unserer Zeit zu verstehen, sagt er. „Schon um mitreden zu können, auch beim Thema Versicherungen“, glaubt Kosmider.
ELMAR KOK
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