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Größte Industriemesse am Ende

Heute schließt die Hannover-Messe 2004 die Tore. Ihre Bedeutung als weltweite Leitausstellung hat sie eingebüßt. Andere Spezialmessen laufen ihr den Rang ab

HANNOVER taz ■ Ein traditionsreiches Symbol des einstigen deutschen Wirtschaftswunders konnte man diese Woche auf dem hannoverschen Messegelände in Auflösung erleben. Obwohl gerade die Hannover Messe 2004 stattfand, erschien das genau einen Quadratkilometer große und seit der Expo 2000 rundum erneuerte Areal im Süden Hannovers zeitweise fast menschenleer.

Schon die erste Export-Messe Hannover, mit der 1947 noch die britische Besatzungsmacht deutsche Produkte zeigen wollte, zählte 736.000 Besucher aus 53 Ländern. Wenn die daraus entstandene Deutsche Messe AG heute die Besucherzahl der Hannover Messe 2004 bekannt gibt, werden es nicht einmal 200.000 sein.

Aus der Export-Messe Hannover, auf der noch Produkte aller Art vom Kinderwagen bis zum VW Käfer bestaunt wurden, entwickelte sich mit der Hannover Messe später die größte Industrie- oder Investitionsgütermesse der Welt. Als Anfang der 80er-Jahre deren Bereich Bürokommunikation und Informationstechnik ausgegliedert wurde, entstand daraus die heute weit größere Cebit, die sich immer noch „weltgrößte Computermesse“ nennen darf.

Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Investitionsgüter aus der Hannover Messe ausgegliedert. Die Baukräne sind mittlerweile genauso von der Leistungsschau verschwunden wie die Werkzeugmaschinen, die Lampen und Leuchten oder auch die Industrieroboter. Zuletzt wurde auch noch Cemat, die Ausstellung für Materialflusstechnik und Logistik, zu einer eigenständigen Messe ausgebaut.

Die Hannover Messe hat dadurch ihre weltweite Spitzenstellung endgültig verloren. Auch die Deutsche Messe AG musste auf der diesjährigen Messe bestätigen, dass sich die Ausstellung wegen der seit Jahren sinkenden Gästezahlen nicht mehr als „weltgrößte Investitionsgüter- oder Industriemesse“ bezeichnen kann. Messe-Chef Sepp Heckmann sprach lediglich von der „wichtigsten, einzigartigen und größten Technologiemesse“. Er sagte aber auch: „Es gibt größere Investitionsgütermessen“. Dazu zählen etwa die in München stattfindenden Bauma für Baumaschinen und auch die hannoversche Messe für Metallbearbeitung EMO. Nach den Worten von Heckmann bot die Hannover Messe in ihren acht Teilausstellungen einen „weltweit einzigartigen Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette der industriellen Technologie und Automation“.

Für den deutschen Maschinenbau ist die Hannover Messe mittlerweile aber nur noch eine Messe unter anderen – und auch nicht mehr das entscheidende Konjunkturbaromater. Der Hauptgeschäftführer des Maschinenbauverbandes VDMA, Hannes Hesse, stellt etwa die Münchner Bauma, die Hannover Messe und die Düsseldorfer Druckmaschinenmesse Drupa in eine Reihe. Von der Hannover Messe, so sagt er, seien fertige Investitionsgüter nach und nach verschwunden, übrig geblieben sei ein Technologiebaukasten. Die Besucher finden dort kaum noch komplette Produkte vor, sondern vor allem Komponenten von Maschinen oder Produktionsanlagen. Über den Besucherschwund der Messe führten diesmal selbst die notorisch zum Optimismus verpflichteten Verbände Klage.

Nur Messe-Chef Heckmann sah seine Traditionsausstellung weiter in der Rolle des Wirtschaftsbarometers: „Aus unserer Sicht springt die Konjunktur an.“

JÜRGEN VOGES

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