piwik no script img

Nachzug nur für Sprachbegabte

Der Bundeswehrbeamte Ralf Kretzschmar aus Hannover möchte seine usbekische Familie nach Deutschland holen – doch das wird schwierig. Denn seine Frau ist bei der Deutschprüfung am Goethe-Institut in Taschkent durchgefallen

Ehegatten-Deutsch

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz von 2007 ist der so genannte „Ehegatten-Nachzug“ verschärft worden. Für ausländische Ehepartner von deutschen Staatsbürgern gilt seitdem, dass sie sich „auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen“ können müssen. Als Nachweis erkennt das Auswärtige Amt in der Regel nur die Prüfung an einem Goethe-Institut an. Die Bundesregierung gab damals an, durch das Gesetz „Zwangsverheiratungen vermeiden“ zu wollen. Für Ehepartner aus „befreundeten Staaten“ gelten allerdings Ausnahmen. TAZ

VON LUKAS SANDER

Zum letzten Mal gesehen hat Ralf Kretzschmar seine Familie vor über einem Jahr, im Herbst 2007. Seitdem trennen ihn viereinhalbtausend Kilometer von seiner Frau Lena und den Kindern. Sie leben in Usbekistan, er in Hannover.

Nur zu gern würde der Bundeswehr-Beamte seine Familie nach Deutschland holen. Doch die Deutsche Botschaft in Taschkent verweigert sogar ein dreimonatiges Besuchsvisum. Von einem dauerhaften Umzug nach Deutschland kann Lena nur träumen – ohne grundlegende Deutschkenntnisse darf die junge Frau ihrem Mann nicht folgen. So will es das 2007 verschärfte Zuwanderungsgesetz.

Darin ist der so genannte Ehegattennachzug strengstens geregelt. Bevor ein Partner aus einem Nicht-EU-Land nachziehen darf, muss er einen Sprachtest an einem Goethe-Institut im Ausland bestehen. „Für mich ist dieses Gesetz unmenschlich“, sagt Ralf Kretzschmar.

Kennen gelernt hat Kretzschmar die heute 28-jährige Lena bei einem Auslandseinsatz, bei dem er sich um die Lebensmittel-Versorgung der Soldaten kümmerte. Im Februar 2007 kam die gemeinsame Tochter Anna zur Welt. Damals lebte Lena zwar allein, war aber noch mit einem Usbeken verheiratet. Erst kurz nach der Geburt des Kindes ließ sie sich scheiden – ein fatales Detail. Denn vor dem Gesetz ist Anna deshalb nicht Ralf Kretzschmars Kind, sondern das des usbekischen Ex-Mannes. Daran ändert auch ein Vaterschaftsgutachten nichts, das Ralf Kretzschmar als leiblichen Vater ausweist.

Wäre das nicht so, könnten Kind und Mutter nach Deutschland kommen. So aber muss Lena vor der Einreise den Deutschtest am Goethe-Institut in Taschkent bestehen. Daran würde auch eine Heirat mit Lena in Usbekistan nichts ändern.

Für die alleinerziehende Mutter, die auf einem Dorf im Hinterland lebt, ist der Test eine unüberwindbare Hürde. Deutschkurse gibt es in der Provinz so wenig wie Nachhilfelehrer. Das Goethe-Institut ist mehrere hundert Kilometer entfernt. „Ich habe Lena einen CD-Player mitgebracht, einen Deutschkurs auf CD und Lehrbücher“, erzählt Ralf Kretzschmar. Aber Lena schaffte es nicht, die fremde Sprache im Selbststudium zu erlernen und fiel durch den Test.

Ralf Kretzschmar kämpfte erfolglos um eine Ausnahmeregelung – und versteht mittlerweile die Welt nicht mehr. „Ich habe für mein Land in Usbekistan den Kopf hingehalten“, sagt der Bundeswehrbedienstete. Sogar an Bundestagsabgeordnete wandte er sich. Die größten Hoffnungen habe ihm der innenpolitische Sprecher der CDU / CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl, gemacht. Uhl tritt vehement für die restriktive Zuwanderungsregelung ein, dennoch hat er sich persönlich bei der Deutschen Botschaft in Taschkent für Kretzschmar eingesetzt.

Doch als Lena dort vor einigen Tagen ein Besuchsvisum beantragen wollte, schickte man sie erneut fort. „Die Behörden unterstellen ihr, dass sie nicht wieder ausreisen will“, sagt Ralf Kretzschmar. Schließlich habe er bereits einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Im Auswärtigen Amt will man sich zu den Details des Verfahrens nicht äußern. „Botschaft und Auswärtiges Amt stehen in engem Kontakt zu allen Beteiligten“, sagt ein Sprecher.

Weihnachten hat Ralf Kretzschmar ohne seine Familie gefeiert. Geld, um für einen kurzen Besuch nach Usbekistan zu reisen, habe er nicht, sagt er. Er will sparen – falls seine Familie irgendwann doch einmal nach Deutschland kommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen