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Steuern ungesteuert

Kaum erwägt die Regierung das Vorziehen geplanter Steuersenkungen, schwillt auch schon der Streit über das Wie: gerecht oder verlässlich?

von CHRISTIAN FÜLLER

Es ist noch nicht entschieden, ob das Vorziehen der Steuerreform nun ein Gassenhauer oder ein Rohrkrepierer wird. Kaum haben Kanzler und Finanzminister den Vorschlag unter die Leute gebracht, beginnt eine wirre Debatte: Steuerreform vorziehen? Ja oder nein? Ganz oder nur in Teilen? Mancher in der rot-grünen Koalition warnt bereits vor der Diskussion: Es könnte der Eindruck entstehen, „dass bei uns auf nichts mehr Verlass ist“.

Die Steuerreformstufen 2004 und 2005 aber seien die Grundpfeiler von wirtschaftlicher und politischer Verlässlichkeit dieser Regierung. Sie stünden im Gesetzblatt, darauf müssten die Bürger bauen können, hieß es. Die beiden Stufen der bereits im Jahr 2000 beschlossenen Steuerreform sollen, so die Pläne des Kanzlers, schon im Januar kommenden Jahres auf einen Schlag in Kraft treten. Das würde bedeuten, dass der Spitzensteuersatz von 48,5 auf 42 Prozent sinkt und der Eingangstarif von 19,5 auf 15 Prozent. Laut Steuerschätzern müsste Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) für eine solche Maßnahme im Budget für das Jahr 2004 rund 18 Milliarden Euro mehr aufbringen.

Der Fraktionsvize der SPD, Michael Müller, sprach sich für das Vorziehen der Reformstufe 2005 aus. Aber er regte an, dabei konjunkturelle und strukturelle Überlegungen gleichzeitig anzustellen. „Wenn wir mit der frühzeitigen Entlastung konjunkturelle Impulse setzen wollen, dann wäre es sinnvoll, zunächst nur die kleinen und mittleren Einkommen durch die Reduzierung des Eingangssteuersatzes zu entlasten“, sagte er. Die Spitzenverdiener sollten hingegen auf ihre Entlastung noch warten, das schaffe Spielraum für wichtige Investitionen in Bildung und Wissenschaft.

In einflussreichen Kreisen der Koalition wird diese Überlegung allerdings nicht geteilt. Wer jetzt ein fertig beschlossenes Gesetzespaket aufschnüre, müsse wissen, dass er es insgesamt gefährde – weil er dafür die Zustimmung der Union im Bundesrat brauche. Auch CDU und CSU sind sich uneinig, wie mit der Steuerreform umzugehen sei.

In der Wirtschaft wird die vorgezogene Entlastung der Einkommen begrüßt. Sowohl Dieter Hundt von den Arbeitgebern als auch Frank Bsirske von der Gewerkschaft Ver.di stimmten für das rasche Absenken der Steuertarife. Auch Bsirske schränkte allerdings sein Votum auf die kleineren und mittleren Einkommen ein.

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