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Vergehen am Schwabischen

Das Theater in Oberhausen inszeniert Werner Schwabs Menschensammlung „Abfall, Bergland, Cäsar“

Wer den Schwab zertrümmern will, möge in den fauligen Resten umkommen. Das Theater in Oberhausen versucht sich dennoch am Dramatiker Werner Schwab und lässt posthum, das dichterische Reglement außer acht lassend, eine eigene Version seines Prosatextes „Abfall, Bergland, Cäsar“ durch ein merkwürdiges Sammelsurium aus performtem Nicht-Theater und und untheatralischer Performance auf die Besucher los. Theatermusiker FM Einheit wabberte dazu an seinen schweren Eisenspiralen und wird mit seiner Musik das echte Highlight des Abends.

Zahlreiche Besucher strömten ins ehemalige Ebertbad, ließen sich hochgespannt in Sesseln, auf Barhockern oder gleich an der Theke nieder, einige wanderten noch durch die kleine Kunstausstellung des in Graz geborenen Österreichers, der in der Silvesternacht 1994 an, für Schwab natürlichem, Leberversagen und immer noch in Graz, verstarb. Sie wunderten sich über fleischlich Eingekochtes, neon Blinkendes und eine bewegte Wasseroberfläche vom Videobeamer, die auf dem Balkon gleichzeitig als Exponat und Requisit fungierte.

In der Asche des am Theaterhimmel verglühten Sprachkometen begann dann das Theater in der Centro-Stadt zu rühren. Laut und kaum verständlich, überdreht und prätentiös, stammelte Torsten Bauer als Protagonist A den ersten Buchstaben der wortgewaltigen Meschensammelung der Menge Besucherfleisch entgegen – immerhin fünf Seiten Text im Original, begleitet von einer Schriftperformance der Künstlerin Mariko Sakamoto, deren Ergebnis dann glücklicherweise vernichtet wurde wie Schwabs Leber und begleitet von FM Einheit mit seiner Band, was die Schwabsche Asche bestimmt gefreut hätte.

Die Rezitation seines Prosatextes, verballhornt durch Wiederholung einzelner, wohl publikumswirksamer Satzteile und untermalt von expressivem Bewegungs-Exhaltismus und dramatischer Sketchszenen, hätte ihn wahrscheinlich gelangweilt. Ein Installation mit Performance wurde daraus nicht, eher eine De-Eskalierung der wohlüberlegten schwabischen, nicht elbischen! Wort-Filetierung mit anschließender Neuvernähung.

Nächster Buchstabe: V. Rezitiert von Ensemble-Unikum Anna Polke, begleitet von Blueprint-Katharina Franck – V ist wohl Frauensache. Wunderbar kurz, ohne den Firlefanz bei A. Die Seele brannte und hofft inständig auf die nächsten Buchstaben. PETER ORTMANN

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