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Ein Mann wird Monster

Die erste von sechs Folgen einer modernen Adaption eines fast schon klassischen Stoffs: „Jekyll“ (22.35 Uhr, Arte)

Wenn ein Kulturkanal wie Arte in Serien investiert, ist das eine durchaus ambivalente Sache. Das dafür verwendete Geld fehle dann zwangsläufig in den Kernkompetenzbereichen, sagt Präsident Gottfried Langenstein. Andererseits sind Serien nun einmal als „Leitformate für ein jüngeres Publikum unverzichtbar“, wie Programmdirektor Christoph Hauser findet, und deshalb hat Arte für dieses Jahr eine kleine Serienoffensive ausgerufen. Die findet vor allem Freitagabend statt: Vorgesehen sind hier das französische Format „Venus und Apoll“ – da geht es um den Alltag in einem Schönheitssalon –, die dritte Staffel der mehrfach ausgezeichneten Krimiserie „KDD“, die Arte jetzt gemeinsam mit dem ZDF produziert, und als Erstausstrahlung Dominik Grafs mutmaßlich sehr innovative achtteilige Serie „Im Angesicht des Verbrechens“.

Heute startet zum Auftakt die BBC-Produktion „Jekyll“, eine moderne TV-Fassung der 1886 erschienenen Erzählung „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Das klingt erst einmal nicht aufregend, denn der Stoff ist nicht gerade selten adaptiert und auch parodiert worden, aber angesichts des turbulenten Geschehens, das Regisseur Douglas Mackinnon zu inszenieren wissen, sind etwaige Bedenken schnell verflogen. Der aktuelle Jekyll heißt Tom Jackman (James Nesbitt) und zunächst sind die Probleme, die ihm sein zweites Ich bereitet, noch halbwegs überschaubar: Hyde erwacht immer abends, säuft dann reichlich und geht zu Prostituierten, und am nächsten Morgen wacht der Protagonist als Jackman ohne jede Erinnerung an die Nacht wieder auf. In ein Diktiergerät, das den beiden Persönlichkeiten als Kommunikationsmittel dient, spricht er dann Mitteilungen wie: „Meinst du, dass du es schaffst, dass du mir irgendwann einmal sagst, wo der Wagen steht?“ Später lassen sich die Verwandlungsprozesse immer schwieriger vorhersehen, und dann kann es sogar einmal vorkommen, dass Jackman Hyde in seinem Kopf hat oder mit sich selbst telefoniert.

Hyde ist ein eher clownesker Schurke, der nicht einmal richtig böse ist und manchmal auch wie ein guter Superheld agiert, etwa wenn er einen aggressiven Löwen durch die Luft schleudert – eine von mehreren im guten Sinne albernen Szenen. Er ist jedenfalls kein Monster, eher ein Kindskopf in einem Erwachsenenkörper.

„Jekyll“ entpuppt sich als eigenwillige Mischung zwischen Drama, Verschwörungsthriller und Komödie. Erst ab der dritten Folge beginnen sich die Fronten zu klären. Zur Attraktivität tragen viele skurrile Nebenfiguren bei, etwa das überdrehte lesbische Detektivinnenpärchen, das von Jackmans Ehefrau mit der Beobachtung des Gatten beauftragt wird, weil sie als Ursache für dessen ständige Abwesenheit eine Affäre vermutet.

So viel darf man vorwegnehmen: Das Duo entscheidet sich für eine defensive Interpretation des Auftrags, weil eine Gruppe omnipotenter Dunkelmänner, deren Hintergründe zunächst nicht klar sind, besser zahlt. Ein gewichtiges Argument für die Private Eyes. Schließlich brauchen sie eine neue Küche. Und eine von ihnen ist schwanger.

RENÉ MARTENS

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