: Den Ländern einen Korb geben
Die Zusammenführung der Kulturstiftung des Bundes mit der der Länder ist vorerst gescheitert. Der schiere bürokratische Furor findet in einer Vorlage Ausdruck, die die Kompetenzen in zwei Körbe sortiert. Doch für sie wäre nur der Papierkorb die Lösung
von BRIGITTE WERNEBURG
Ein Glück, möchte man sagen, dass nach dem gestrigen Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Gerhard Schröder die geplante Zusammenführung der Kulturstiftung des Bundes mit der der Länder erst einmal „auf Eis gelegt“ wurde, wie es die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Christina Weiss, ausdrückte. Vorerst werde es keine weiteren Fusionsgespräche geben, erklärte die Ministerin. Die „länderfreie Zone“ in der Kultur, deren Ende Christina Weiss kürzlich in einem Gespräch mit Journalisten schon vor sich sah, wird es also noch eine Weile geben. Und das ist gut so.
Denn die Länder hätten die neue gemeinsame Stiftung gerne „bundesfrei“. Natürlich nicht, was das Geld angeht, das weiterhin vor allem der Bund bereitstellen soll, sondern was Entscheidungs- und Richtlinienkompetenz angeht. So scheint es jedenfalls nach der aktuellen, Eckpunktepapier genannten Vorlage. Doch weil die Aufgaben der beiden Stiftungen nicht unterschiedlicher sein könnten – auf Betreiben der Länder übrigens, die der Kulturstiftung des Bundes bei ihrer Gründung nur einen sehr engen Spielraum zubilligten –, möchte man sich einen Verhandlungstriumph der Länder nicht gerne vorstellen.
Die 1988 gegründete Kulturstiftung der Länder (KSL), die ihren Sitz in Berlin hat, sichert nationales Kulturgut, das heißt, die Stiftung unterstützt und fördert vor allem den Erwerb wichtiger Zeugnisse deutscher Kultur durch Museen, Bibliotheken und Archive. Sie fördert dazu die Dokumentation und Präsentation deutscher Kunst und Kultur und engagiert sich bei der Förderung überregional und international bedeutsamer Kunst- und Kulturvorhaben. Bislang statteten die Länder ihre Kulturstiftung mit rund 8 Millionen Euro aus, der Bund steuerte noch einmal die ungefähr gleiche Summe dazu.
Die am 21. März 2002 gegründete Kulturstiftung des Bundes (KSB) mit Sitz in Halle dagegen verfügt in diesem Jahr über 25,6 Millionen Euro, im nächsten Jahr sollen es – sofern Finanzminister Eichel nicht noch quer schießt – 38,4 Millionen sein. Sie ist damit die größte Kulturstiftung Europas, und das Förderprofil, das die KSB in den nur eineinhalb Jahren seit ihrer Gründung unter der künstlerischen Leitung von Hortensia Völckers gewonnen hat, zeichnet sich als ein durchaus innovatives aus. Zusammen mit ihrem Verwaltungsdirektor Alexander Farenholtz gelang es Völckers, den engen Rahmen, der die Kulturstiftung auf unstrittig in Bundeskompetenz fallende Bereiche wie auswärtige Kulturpolitik, internationalen Kulturaustausch, Hauptstadtkulturförderung oder Förderung der Kultur in den neuen Ländern beschränkte, als ein weites Feld von Programmarbeit im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft darzustellen.
Tatsächlich zeichnet die KSB jener „Forschungscharakter“ aus, den der frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin als Begriff ins Spiel brachte. Die KSB fördert nicht nur Kulturevents von nationaler und internationaler Bedeutung wie etwa das gerade jetzt, aus Anlass des Albert-Einstein-Gedenkjahres 2005 befürwortete Festival, das die vor 100 Jahren entstandene Relativitätstheorie in ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung zeigen will. Sie regt im Programmbereich „Kunst und Stadt“ internationale Recherchen an, etwa in Argentinien, und intensivierte unter dem Bereich „Regionaler Schwerpunkt Osteuropa“ den kultureller Austausch mit ebendieser Region. Diese Investitionen, die keine unmittelbare Rendite in Form von hohen Besucherzahlen oder großen Besprechungen in den überregionalen Feuilletons abwirft, der Politik als nicht nur nachhaltige, sondern genuine Kulturförderung zu vermitteln, darin sieht denn auch Hortensia Völckers die eigentliche Aufgabe einer Bundeskulturstiftung.
Diese Aufgabe soll ganz offenkundig nach Willen der Länder in der von Christina Weiss „Deutsche Kulturstiftung“ genannten neuen Institution förderalen Interessen geopfert werden. (Für die Länder ist der Name interessanterweise bislang nur ein „Arbeitstitel“.) Die „zahlreichen Aktivitäten und Fördermaßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kultur“ lassen sich „nach Auffassung der Länder in zahlreichen Fällen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen“, heißt es im Eckpunktepapier. Ein weitgehend unverständlicher Einwand, wenn man sich die Programmarbeit der BKS anschaut. Unter der Annahme freilich, dass die Länder das viele Geld, das der Bund in seine Stiftung gibt, zu ihrer Beute machen möchten, ein sehr verständlicher.
Recht besehen müsste das ungleiche Gewicht der beiden Budgets – 38,4 Millionen Euro auf Seiten der Bundesstiftung gegen 8 Millionen Euro auf Seiten der Länderstiftung – Anlass für die Länder sein, sich Gedanken über deren Unterfinanzierung zu machen. Doch stattdessen wird von „einheitlichen Sitzlandquoten für einzelne Förderbereiche“ gesprochen. Es wird ein einjähriges Finanzierungsabkommen vorgeschlagen, so dass sich – anstatt wie ursprünglich vorgesehen nur alle fünf Jahre – nun jedes Jahr über das Geld streiten läßt. Der Bund wird zur Anzeige seiner Vorhaben beim Kulturausschuss der Kultusministerkonferenz verpflichtet. Kurz: Geplant ist ein Horrorszenario bürokratischer Bevormundung, gegen das die Auseinandersetzungen um die Milchquoten in der EU ein Witz sind.
Kein Wunder also, dass in der Vorlage „ein grundsätzlicher Dissens“ zwischen Bund und Ländern festgestellt wird. Christina Weiss sollte an diesem Dissens festhalten. Sie sollte noch einmal genau schauen, was ihr in den „Korb 1“ gelegt wurde, der nach der Vorlage diejenigen Förderungen beinhaltet, „bei denen sich Bund und Länder über eine verfassungsrechtliche begründete Kompetenz des Bundes einig sind“. Und sie sollte schauen, was ihr der „Korb 2“, der die umstrittenen Förderungen birgt, an Kompetenz vorenthält. Vielleicht sollte sie den Ländern einen Korb geben? Flankiert vom Kulturausschuss des Bundestages, dessen Verdienst es nicht zuletzt ist, dass die Bundeskulturstiftung zustande kam. Auch ihn geht es an, wie seine kulturpolitische Arbeit in Frage gestellt wird.
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