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Bahn-Angestellte sollen länger arbeiten

Als Gegenleistung für 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich bietet Deutsche Bahn AG den Verzicht auf Kündigungen. Gewerkschaft ablehnend. Verkehrsverband fordert gewinnträchtigeren Fahrplan mit besseren Verbindungen

BERLIN taz ■ Kündigung oder mehr arbeiten für gleich viel Geld. Das sind die mageren Alternativen, vor die die Deutsche Bahn AG gestern ihre Mitarbeiter stellte. Die Regelarbeitszeit soll bei unverändertem Gehalt von derzeit 38,5 auf 40 Stunden pro Woche erhöht werden. Zulagen sollen gekappt oder stärker nach Leistung gezahlt werden. Im Gegenzug will die Bahn dafür ein Beschäftigungsbündnis, das betriebsbedingte Kündigungen ausschließt und bis Ende des Jahres läuft, bis 2008 verlängern.

Wie viele der gut 240.000 Beschäftigten des Konzerns von einer Neureglung betroffen sind? Das sei noch nicht geklärt, sagte der Personalvorstand Norbert Bensel gestern. Genauso wenig stehe fest, wie stark die Einkommen gedrosselt würden. Die Bahn will nämlich auch so genannte Arbeitszeitkorridore einrichten. Je nach Bedarf können Arbeitszeit und Lohn dann um 10 Prozent verringert oder erhöht werden.

„Der Faktor Personalkosten ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor“, sagt Bensel dann sehr bestimmt. Und bei den privaten Konkurrenten werde durchschnittlich 6 Prozent mehr als bei Europas größtem Transportkonzern gearbeitet. Der stärkste Rivale der Deutschen Bahn zum Beispiel ist Connex, sie betreibt unter anderem die Strecke Gera–Rostock.

Tatsächlich beherrscht die Deutsche Bahn aber noch immer rund 90 Prozent des Marktes. Allerdings schreiben die Länder dieses Jahr noch einige ihrer Regionalstrecken aus. Da sei die Bahn wegen ihrer Personalkosten im Nachteil, argumentiert Bensel. Er wird in den nächsten Wochen hart mit den Gewerkschaften verhandeln müssen. Die überzeugt das alles nicht –zumal die Deutsche Bahn in den letzten zwei Jahren die Hälfte aller Ausschreibungen gewonnen hat. Norbert Hansen von Transnet: „Die Bahn fährt auf dem falschen Gleis.“

Das findet der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ohnehin. Hartmut Mehdorn sehe die wahre Konkurrenz nicht, sagte der VCD-Vorsitzende Michael Gehrmann gestern, als er die Studie Bahn21 vorstellte. Mehdorn fürchtet neben den privaten Bahnfirmen vor allem die Billigflieger. Gehrmann: „Der schärfste Konkurrent der Bahn ist aber das Auto.“ Im Nahverkehr seien tausende von Menschen abzuholen. Schließlich seien nur fünf von tausend Fahrten der Deutschen länger als 200 Kilometer. Er fordert deshalb „Mehr Haltestellen! Mehr Strecken! Weniger Warten!“ Das Zauberwort heißt „Integraler Taktfahrplan“: Mindestens jede Stunde soll zur selben Minute ein Zug fahren. Die Bahnen treffen sich in Knotenpunkten und fahren dann sternförmig in alle Richtungen weiter. Wer etwa in der hessischen Universitätsstadt Marburg in den Zug steigt, könnte in Gießen sofort in den Zug nach Köln, Fulda oder Frankfurt steigen. Ist er in die Rheinmetropole bisher drei Stunden unterwegs, braucht er dann nur noch zwei.

„Grüne Welle für Züge“ nennt Gehrmann das Prinzip. Und der dafür nötige Ausbau von Bahnhöfen und Strecken wäre vergleichsweise billig: jedes Jahr 4,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die ICE-Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt kostet rund 7 Milliarden. Gehrmann: „Hört auf mit den schicken Sachen.“

HANNA GERSMANN

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