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Hemjö Klein ist wieder bei der Bahn, aber nicht so richtig. Was der umtriebige Manager bewegen kann, ist unklar

In harten Zeiten mehren sich die Rufe nach starken Figuren. Gesucht werden Leute, die den Karren aus dem Dreck ziehen. Nachdem die Bahn mit ihrem neuen Preissystem ein Marketingdesaster erlitten hat, geistert seit ein paar Tagen Hemjö Klein als möglicher Retter durch die Medien. Klein kümmerte sich im Bahnvorstand um das Marketing, als das Unternehmen vor rund zehn Jahren die Bahncard einführte.

Nachdem die neue Bahncard den Vielfahrern das Leben im letzten halben Jahr vergällt hat, kommt jetzt die alte Karte zurück. Und mit ihr wird in den Medien kolportiert, ihr Ziehvater. Einige sahen ihn schon auf dem Posten eines Generalbevollmächtigten für das Marketing. Nach Informationen der taz hat Klein aber schon seit längerem einen Beratervertrag mit der Bahn. Die Stelle eines Generalbevollmächtigten indes sei ausgeschrieben, war am Rande der gestrigen Aufsichtsratssitzung zu erfahren. Sie werde in den kommenden Wochen mit einem geeigneten Mann besetzt. Nicht unbedingt mit Klein. Ein Bahnsprecher bestätigte dies. Der vermeintliche Retter darf also bislang nur mitreden, entscheiden kann er nicht. Ob er etwas bewegen wird, bleibt fraglich. Zumindest bei der gestern verkündeten Reform der Reform hat er seine Hände im Spiel gehabt.

Das Talent des 61 Jahre alten Marketingprofis hatte einst die Lufthansa entdeckt. Dort lernte er und saß in den Siebzigerjahren in der Geschäftsführung. Anfang der Achtzigerjahre wechselte der umtriebige Manager in den Vorstand der Bundesbahn. Er verpasste der Behörde ihr rosarotes Image, setzte die gesonderten Preise für ICE-Züge durch – und eben auch die Bahncard.

Seine Tatkraft, die er bei der Reform des damaligen Staatsunternehmens Bahn bewiesen hatte, wurde 1993 von seinem ehemaligen Arbeitgeber Lufthansa eingekauft. Auch hier bewegte sich Klein schneller als andere. Er sprach von elektronischen Tickets und E-Commerce zu einer Zeit, zu der andere diese Worte noch nicht buchstabieren konnten. Zuletzt hatte Klein noch zwei Auftritte als Sanierer des angeschlagenen Musicalunternehmens Stella und im Aufsichtsrat der Deutschen Sportmarketing.

Ob die Bahn auch in Zukunft mit Klein zusammenarbeitet, wollte das Unternehmen gestern weder bestätigen noch dementieren. Hemjö Klein als Retter der deutschen Bahnkunden – schöne Geschichte, aber noch nicht ganz wahr. MATTHIAS BRAUN

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