: berliner szenen Eine Woche Abendschau
Fäuste verstecken
Im Bild von Berlin, das die „Abendschau“ versendet, spielen Verbrechen, Besuche und Schienenersatzverkehr eine große Rolle – kurz, vielerlei Dinge, von denen man meint, informiert sein zu müssen, ohne sich tatsächlich für sie zu interessieren. Auf der Internetseite des „RBB“ sind die Abendschauen archiviert. Wenn man sie mit dem Real Player anguckt, kann man die Namen der so leicht onkel- oder tantenhaften ModeratorInnen und anderer Personen nicht erkennen.
Alles wirkt angenehm spacig wie bei Big Brother oder den kanadischen „Naked News“. Am Montag schien es so zu sein, als trügen alle Funktionsträger täglich shampoonierte Schnauzbärte. Alle Repräsentanten scheinen auch Sprach- und Rhetorikkurse absolviert zu haben; die wortunterstützenden Gesten wirken allerdings auswendig gelernt und unnatürlich. Viel lispeln; ob das am Real Player liegt?
Man kann’s auch so sehen, dass jede Nachricht die vorhergehende interpretiert. Ein mit sentimentaler Musik unterlegter Bericht über Zwangsprostitution milderte etwa die vorhergehende Meldung über den „Fall Friedman“ ab, in der es aus dieser Perspektive nur noch um die lässliche Sünde des Kokainismus geht. Der Bericht über einen absurden Denkmalsstreit in Köpenick, wo Bürger und die CDU ein antifaschistisches Denkmal weghaben wollen, weil eine Faust zu sehen ist und man doch gegen das „Faustrecht“ (CDU) sei, passt dazu. Der Kompromissvorschlag der SPD ging übrigens dahin, das Denkmal stehen zu lassen, aber die Faust irgendwie zu verdecken. Wie bei allen Regionalnachrichten ist die Botschaft: Wir sind alle prima, mag die Lage auch schwierig sein, wir haben alles im Griff. „Und nun haben wir weitere Nachrichten für Sie.“
DETLEF KUHLBRODT
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