piwik no script img

Massenvernichtungspistole

Nach Saddam Husseins „rauchendem Colt“ hat US-Präsident Bush immer gesucht – nun hat er seine nicht geladene Pistole, immerhin. Vom archaischen Wert der Trophäe in postmodernen Zeiten

VON ARNO FRANK

„Er hat gerne damit geprahlt. Er war wirklich stolz“, zitiert das US-Magazin Time einen offenbar verwunderten Besucher des Weißen Hauses, dem George W. Bush seinen liebsten Schatz gezeigt hat, die Pistole des irakischen Exdiktators Saddam Hussein. So lächerlich die Vorstellung auch sein mag, der mächtigste Mann der Welt beömmele sich über eine simple Knarre, die seine Truppen einem anderen Gangster in seinem Erdloch entwunden haben, so beängstigend ist die altertümliche Symbolik einer Trophäe – in den Händen eines Staatenlenkers, von dem man sich eigentlich vernünftiges Handeln wünschen würde.

Aufbewahrt wird das gute Stück im obskuren Amtszimmer neben dem Oval Office, wo, wie nebenbei maliziös vermeldet wurde, auch der hübsche Expräsident Bill Clinton mit einer hübschen Expraktikantin einer ebenfalls recht urtümlichen Beschäftigung nachgegangen ist. Ganz so alt wie der Sex ist das Phänomen der Trophäe nicht, dennoch aber in jeder Hinsicht archaisch – auch ohne den küchenpsychologischen Hinweis darauf, dass Bush mit Saddams Pistole dessen Männlichkeit in Händen hält.

Klar, schon Herakles kleidete sich in kühner Anverwandlung in das Fell des von ihm erlegten Löwen, steinzeitliche Indio-Stämme schmückten sich mit dem abgeschnittenen Skalp des Gegners. Als Tropaion (griechisch: „tropé“, d. h. „Wendung zur Flucht“) taucht die Trophäe als Fetisch erstmals vor 1.500 Jahren auf. Sie markierte damals als mit erbeuteten Waffen behängter Baumstumpf jenen Ort, an dem der Feind die Flucht ergriffen hatte.

Seitdem gilt – von den Triumphzügen Roms über die Kreuzzüge bis zum Zweiten Weltkrieg – das Herzeigen von Waffen des bezwungenen Gegners als Ausweis seiner Impotenz. In säkularisierter, quasi unbewaffneter Form begegnet uns die Trophäe heute noch im Sport, wenn etwa die Meisterschale geschwenkt wird.

Eine Trophäe, die man nicht vorzeigen kann, ist keine Trophäe. Kein Wunder also, dass der US-Präsident damit hausieren geht.

Immerhin hat Bush die mächtigste Streitmacht der Welt angeblich deshalb in Gang gesetzt, damit sie im Irak Massenvernichtungswaffen finde. Solange die noch nicht aufgespürt sind, liegt so eine Pistole gewiss schwer und beruhigend in der Hand – und lässt sich auch leichter ans Revers heften als etwa eine Mittelstreckenrakete.

Was Waffen anbelangt, so kann Bush übrigens auch bei kleineren Kalibern nicht das Flunkern lassen: Die Pistole sei geladen gewesen, der irakische Expräsident habe aber keine Anstalten gemacht, sie zu benutzen, sagte der Befehlshaber der Einheit, die Saddam aufspürte. Bush dagegen behauptete gegenüber dem Informanten der Times, die Waffe sei nicht geladen gewesen, man könne sie beruhigt anfassen. Weiß man’s? Man steckt ja nicht wirklich drin. Unser Rat: Nur Mut, einfach ausprobieren, an die Schläfe halten und abdrücken. Wir wissen schon, wer sich darüber totlachen würde.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen