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EIN WINZIGER SCHRITT IN RICHTUNG FAMILIENFREUNDLICHES DEUTSCHLANDHoffentlich Allianz-versichert

Die Nationale Allianz für die Familie – das sind 12.000 Unternehmen in Deutschland, die sich so sehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie interessieren, dass sie eine Broschüre dazu angefordert haben. Und 52 Orte, die nun versuchen, die Kita- und Arbeitszeiten von Eltern zum ersten Mal in ein vernünftiges Verhältnis zu setzen. 12.000 von etwa 3 Millionen Betrieben. 52 von etwa 14.000 Kommunen. Das sind jeweils etwa 0,4 Prozent. Diese 0,4 Prozent beschreiben sehr schön, wie familienfreundlich Deutschland dank der Initiative von Familienministerin Renate Schmidt geworden ist.

Dabei hatte Schmidt einen vergleichsweise stürmischen Rückenwind: Es hagelte demografische Katastrophenmeldungen, furchterregende Pisa-Ergebnisse, die auf mangelnde Kleinkinderbildung zurückgeführt wurden. Es hagelte OECD- und EU-Vergleiche: Deutschland hat die schlechtesten Kitas, die wenigsten Betreuungsplätze, Frauen sind deshalb weit unterdurchschnittlich erwerbstätig und haben weniger Kinder. Wer die Experten streiten hört, ob wir 10, 20 oder 30 Jahre hinterherhinken, der kann bei der Zahl 0,4 nur anfangen zu weinen. Wer aber die unglaubliche Hartleibigkeit von Unionsländern, Kommunen und Wirtschaft erlebt hat, die unisono meinten, dass das Kind zur Mutter gehört, und lieber Schützenfeste als Kitas sponsern, der weiß diesen Anfang dennoch zu schätzen. Denn in der Tat haben all die verheerenden Vergleiche den Boden für einen Mentalitätswechsel bereitet, dem diese Bündnisse nun eine erste Form geben. Das Eigenartige an Deutschland war ja bisher, dass niemand sich laut über die schlechte Betreuung der Kinder beschwerte und die Familienpolitik weiter schlafen konnte. Die 52 Bündnisse, das sind wenige, und man möchte auch gar nicht wissen, wie viele vorher schon bestanden und nur ein neues Etikett tragen. Doch kann aus solchen Bündnissen da Druck entstehen, wo er hingehört: in den Kommunen. Die sind für die Kinderbetreuung zuständig. Solange der Bund ihnen nicht auf die Sprünge hilft, indem er einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für alle Kinder schafft, muss man sich offenbar auf eine ganz neue Art Allianz-versichern. HEIDE OESTREICH

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