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Front gegen Embryonenforschung

Der Vorschlag der EU-Kommission, ab 2004 die verbrauchende Embryonenforschung finanziell zu unterstützen, wird von der Politik in Deutschland fast einhellig abgelehnt. Protest kommt auch aus dem Forschungsministerium

Parteiübergreifend auf breite Ablehnung ist in Deutschland der Vorschlag der EU-Kommission gestoßen, das bis Ende des Jahres geltende Moratorium für die Förderung von Embryonenforschung durch möglichst freizügige Vergabekriterien abzulösen. Die Kommissionsentscheidung sei eine „unakzeptable Augenwischerei“, sagte die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer. Ähnlich reagierte ihr Brüsseler Parlamentskollege von der CDU, Peter Liese. Er schimpfte: Dieser angebliche Kompromiss sei „eine Täuschung und kein Zugeständnis“.

Selbst aus dem Bundesforschungsmisterium, das zuvor noch kritisiert wurde, sich nicht ausreichend genug für eine restriktive europäische Regelung einzusetzen, wurde Widerstand angekündigt. „Wir hoffen, unsere Partner in der EU von unserer Auffassung überzeugen zu können und eine Lösung zu finden, welche die ethischen Grundüberzeugungen aller Mitgliedsstaaten respektiert“, sagte Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen. Es sei beispiellos, dass die Kommission Projekte unterstütze, die gegen Strafrecht in einzelnen EU-Staaten verstießen. Deutschland wird laut Catenhusen im Ministerrat zusammen mit Österreich seine Position vorbringen. Potenzielle Verbündete seien Spanien, Italien, Portugal und Irland. Voraussichtlich im September wird der Ministerrat über das weitere Schicksal des Kommissionsentwurfs entscheiden. Das Europaparlament hat bei dieser Frage keine Entscheidungsbefugnis. Es wird nur beratend hinzugezogen.

Streitpunkt ist vor allem die von der EU-Kommission vorgeschlagene Stichtagsregelung. Demnach sollen Forschungsprojekete grundsätzlich förderungswürdig sein, wenn zur Herstellung von Stammzellen Embryonen genutzt werden, die vor dem 27. Juni 2002 eingefroren wurden. Eine weitere Bedingung ist, dass es sich dabei um so genannte überzählige Embryonen handelt, die bei der künstlichen Befruchtung übrig geblieben sind. Die Eltern müssen ihre Zustimmung geben, dass sie in der Forschung eingesetzt werden.

Mit dieser Stichtagsregelung solle verhindert werden, dass künftig Embryonen nur für Forschungszwecke hergestellt werden, begründete EU-Forschungskommissar Philippe Busquin seinen Entwurf. Im Gegensatz dazu ist nach dem deutschen Stammzell-Gesetz verboten, dass Embryonen für die Herstellung neuer Stammzellen getötet werden dürfen. Konkret bedeutet dies, dass nach Deutschland nur die circa 50 vor dem 1. Januar 2002 etablierten Stammzelllinien importiert werden dürfen. Nach dem Kommissionsvorschlag dürfen hingegen auch bereits eingefrorene Embryonen verwendet werden. Dies dürften in den EU-Mitgliedsstaaten mehrere hunderttausend sein. Allein in Frankreich lagern 70- bis 80.000. In Belgien und Großbritannien, so wird geschätzt, dürfte es noch viel mehr geben.

Für Forschungskommissar Busquin steht der Forschungsstandort Europa auf dem Spiel. Die EU müsse auf diesem Forschungsgebiet mit an der Weltspitze bleiben, betonte er gleich mehrfach auf der Pressekonferenz, auf der er den Kommissionsvorschlag vorstellte. Mit dem Beschluss wolle die Kommission keinem EU-Mitgliedsstaat die Ethikregeln vorschreiben, sagte Busquin. In Ländern, in denen diese Forschung verboten sei, würden auch keine Projekte gefördert. Aus diesem Grund müsse auch jeder Förderantrag von einer Ethikommission des Landes gebilligt werden. Auch in den Ländern, wo die Gesetze ein Votum einer Ethikkommission gar nicht vorsehen.

Die Finanzmittel, die durch das Forschungsrahmenprogramm der EU für die umstrittene Embryonenforschung überhaupt zur Verfügung gestellt werden, sind nicht besonders hoch. Doch es geht um die grundsätzliche Frage, ob deutsche Steuermittel für hierzulande strafbewehrte Forschungen überhaupt eingesetzt werden dürfen. WOLFGANG LÖHR

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