: Westerwelles Verzapfung
betr.: „Gesagt ist gesagt“, taz zwei vom 19. 1. 09
Sonderbar, sonderbar. Jeden Tag und allerorten lese ich also von der großen und schlimmen Krise, in der sich die Weltwirtschaft derzeit befindet. Gelegentlich weist sich ein Kommentator dieser Schieflage schon als ein zweifelhaftes „Genie des logischen Schließens“ aus, indem er diese Krise der Raffgiermentalität einiger weniger schwarzer Schafe zuweist. Aha. Dass es sich bei der Krise um ein systembedingtes Muss handelte, wird hauptsächlich und höflichst unterschlagen. Schließlich avancierte die 68er-Linke zur Freiberufler-Avantgarde mit Saab-Attitüde und Volvo-Pläsierchen – darauf wollen wir doch bitte auch in Zukunft nicht verzichten und schnallen den Gürtel höchstens deshalb ein Loch enger, weil unser Töchterchen sich sonst vor den Schulkameradinnen wegen des fetten Papas geniert.
Dass aber Herr Außenminister-Anwärter G. Westerwelle „Demokratischen Sozialismus“ für einen Widerspruch in sich hält, lässt vermuten, den FDPler-Neujahrsempfang als spritzig-gelungen im Sinne vom feucht-fröhlich anzusehen – nüchtern lässt sich solcher Dünnsinn nicht mal vor der 18% -plus-x-Partei verzapfen!
Fragt sich abschließend nur noch, was schlimmer ist – die Äußerung Westerwelles oder die Tatsache, dass ich Westerwelles Verzapfung zwar in der taz lese, aber leider keinen Artikel finden kann, in dem ich lerne, dass „Demokratischer Sozialismus“ doch zu verwirklichen ist! Nun ja, möglicherweise kommt nächstens die Krise noch schlimmer und es findet sich dann irgendwann mal ein Jemand, der den Mut hat, zu zeigen, dass im „Demokratischen Sozialismus“ dieser Blödsinn den Menschen erspart geblieben wäre! So was kann Mensch in Deutschland wohl dann erst schreiben, wenn endgültig das gesamte Ersparte von jedermensch weg ist!
T. HAHN, Görwihl/Hotzenwald
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen