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coming homeDie Antirassistische Fußball-WM wird immer größer

„Ein ganz linker Kick“

Wie beginnt man einen Bericht über die Antirassistische Fußball-WM 2003? Mit 50 besoffenen Busreisenden von Hamburg nach Italien? Mit 19 ausgewiesen linken Teams aus der kleinen Kommune Reggio Emilia? Mit 40 aus Deutschland, davon neun Berliner? Mit fehlendem Wettbewerbscharakter, einem Wald radikaler Transparente, Myriaden von Dreadlocks, krachigen Konzerten oder energischem Drogengebrauch? Nein – mit Sport natürlich. Highnoon in Montecchio, einer Kleinstadt bei Bologna. Es ist staubig, heiß, unerträglich. Und es läuft ein skurriles Fußballspiel: THC Franziskaner FC Berlin gegen die Macossa Boys Kamerun.

Zweimal sieben ächzende Kicker hetzen über einen ungepflegten Rasenplatz, 40 Meter lang, halb so breit. Ein Kleinfeld mit Toren im Handballformat. Es geht um nichts außer, das vermeintlich beste Kollektiv Ball tretender AntirassistInnen der Welt zu sein.

Und doch rennen alle Beteiligten bis zum Umfallen, kämpfen, rackern, grätschen, als ginge es um goldene Pokale. Nach 20 Minuten steht es 0:0. Abpfiff, Frohsinn, Endorphin. „Was für ein Gemetzel“, schreit ein Franziskaner lachend und nimmt einen der als unschlagbar geltenden Gegner aus Afrika in den Arm.

Genau das gibt Daniela Conti ein Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. „Der Spaß ist hier genauso wichtig wie der Wettbewerb“, erklärt die Mitorganisatorin das Prinzip der Mondiale Antirazzisti. Und Politik, natürlich, die stehe ganz oben – der Name ist Programm. Seit 1997 findet das politisch korrekte Happening statt. Als sich damals 80 linke Fußballfans im Herzen Italiens zum gemeinsamen Kick wider den Rassismus trafen, ahnte niemand, dass es mal 2.500 sein würden. „Das ist Wahnsinn“, jubelt die Frohnatur Daniela Conti.

Wahnsinn ist es in der Tat, was der 150-köpfige Organisationsstab auf die Beine stellt. 168 Teams haben für die Mondiale 2003 gemeldet, darunter Behinderten-, Jugend- und – wenn es auch keiner Erwähnung mehr wert sein sollte – Frauen-Teams. Dass letztlich weniger spielen, liegt oft an den italienischen Behörden, die etwa Nigeria und Mazedonien das Visum verweigerten. Na ja, meint die Römerin Conti – Italien unter Berlusconi. Er versucht eben, den Fußball zu zerstören.“ So ist das wohl größte alternative Fußballturnier auch ein Manifest gegen den Regierungschef und Milan-Boss.

Und eines gegen Kommerz, Rassismus, Nation, Nazis. Die Teams heißen „Gießen Asozial“, „Agapedia Bulgaria“, „Senegal Bologna“, „Berlin Antifa Aktion“ oder „Celtic Fans Against Racism“. Selbst die IG-Metall Nordhessen ist da. Sie kommen aus aller Welt – wenn der außereuropäische Raum auch nur von 31 Immigrantenteams vertreten wird. Sie sprengen Geschlechtergrenzen – wenn die 72 Teams mit weiblicher Beteiligung auch selten gegen südländische Dribbelkünstler bestehen. Sie sind nett zueinander – wenn sich die Prollfans großer Clubs auch männerbündische Sangesschlachten liefern. „Testosteron-Halle“ nennt Dani aus St. Pauli das Restaurant, wo es des Nachts ruppig zugeht. Frauen – rund ein Viertel der Besucher auf dem Gelände zweier Sportvereine – suchen das Weite.

„Scheiße, scheiße, scheiße BVB“ und „Bella Ciao“ erklingt es unterm Zeltdach. Fast ein Drittel der Teams sind Ultras – Hardcorefans etablierter Proficlubs. Schalker Anhänger liefern sich Grölduelle mit Rostockern, die mit Briten und so weiter. Alle sind aufgeheizt, die meisten hackevoll. Am Tag darauf wird von einer Schlägerei gemunkelt.

Da werden Erinnerungen ans Vorjahr wach. Weil sich Senegalesen und Lateinamerikaner im Endspiel geprügelt hatten, wurden die Regeln verschärft: Finalrunden werden nun im Siebenmeterschießen entschieden, böse Fouls führen zum Spielabbruch, bei Häufung gar zum Ausschluss.

Doch so weit kommt es nicht. Es gibt zwar Ärgernisse – drei Tonnen idiotischen Einwegplastikmüll etwa oder das Fehlen veganer Kost; ansonsten aber herrscht fast beängstigend harmonische Stimmung. Es werden Wimpel getauscht, nach den Matches gemeinsame Fotos geschossen und unentwegt Freundschaftsspiele veranstaltet. Alles funktioniert prächtig. Rund 140.000 Euro aus kommunalen und europäischen Töpfen, Spenden und Catering ermöglichen eine erstaunliche Infrastruktur vor Ort. It’s coming home – an der Basis kommt Fußball bestens ohne Arenen und Merchandising aus. Auch wenn die Klos überquellen und Schlaf zum Luxus wird.

Wie beendet man also einen Bericht über die Antirassistische Fußball-Weltmeisterschaft? Nicht mit Sport – wer gewinnt, ist eh zweitrangig. Besser mit 2004. Denn die Vorbereitungen laufen. Dann, sagt Daniela Conti, „wird es wohl noch voller als jetzt“. JAN FREITAG

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