heute in bremen: „Ein weißer Fleck auf der EU-Karte“
ARD-Korrespondent Christopher Plass erklärt als Wintergast, was Bremen bei der Europawahl droht
taz: Herr Plass, ist die Hauptstadt eines auseinanderdriftenden Staates ein guter Ort, um das Zusammenwachsen Europas zu beobachten?
Christopher Plass, ARD-Europa-Korrespondent: Brüssel ist ein guter Ort dafür – weil es eine sehr internationale Stadt ist. Man bekommt hier auch mit, was in den anderen Ländern der EU gerade passiert. Und insgesamt überwiegt dabei der Eindruck, dass sich die EU-Staaten aufeinander zu bewegen – bei allen Schwierigkeiten, die es da so gibt.
Ist das für Sie persönlich spannender – oder die Krise Belgiens?
Ich finde beides reizvoll. Natürlich liegt der Schwerpunkt für mich auf der Entwicklung Europas: Das ist meine Aufgabe, das steht so in meinem Vertrag. Allerdings ist das, was es hier an Entscheidungen gibt, oft sehr virtuell: Wie das bei der Bevölkerung ankommt erfahren wir oft nicht so direkt. Der Zerfallsprozess dagegen…
… da ist mehr Fleisch dran?
Ja, ein so direkter Konflikt ist eine reizvolle Alternative.
Das ist doch auch ein Problem für Berichterstatter: Das Interesse an den Brüsseler Entscheidungen ist mäßig – obwohl sie doch wichtig sind?
Dass es wichtig ist, steht fest: Wenn man bedenkt, dass 70 Prozent der Entscheidungen hier sich unmittelbar in nationale Gesetzgebung auswirken, sie sozusagen vorherbestimmen, ist das jedem klar. Umgekehrt gehen wir natürlich durch ein Nadelöhr: Wir konkurrieren mit anderen Themen, die auf nationalstaatlicher Ebene zugleich mit Personen verbunden sind. Das fehlt auf europäischer Ebene.
Wie ließe sich denn Interesse wecken?
Das können wir Korrespondenten jedenfalls sicher nicht allein. Da sehe ich auch die EU-Kommission und das Parlament in der Pflicht. Das ist auch wichtig gerade für kleine Länder: Ohne Leute, die in Brüssel Lobbying für Bremen machen, wäre das ganz schnell ein weißer Fleck auf der EU-Landkarte. Und wenn man bedenkt, dass die beiden bremischen Abgeordneten bei der Europawahl im Juni auf der Kippe stehen…
… dass Helga Trüpel reinkam, war schon letztes Mal eine Überraschung.
Bei der ist es ja noch nicht ganz klar – da fällt die Entscheidung erst Samstagnacht auf dem Parteitag. Und sie selbst gibt sich optimistisch. Aber Karin Jöns steht auf einem aussichtslosen Listenplatz. Die kommt nicht wieder rein. FRAGEN: BES
Nordwestradio, Livesendung aus dem Café Weserhaus, Sa 11.05-12 Uhr
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