: Sensor für Stressschweiß
In Koldenbüttel geht eine Waschanlage für Fanfaren- und Spielmannszüge in Betrieb
Immer wieder musste ihre Inbetriebnahme wegen technischer Probleme verschoben werden. Pünktlich aber zu den diesjährigen Kreiswertungskämpfen der Fanfaren- und Spielmannszüge im niedersächsischen Koldenbüttel ist es endlich so weit. Die weltweit erste Waschanlage für Fanfaren- und Spielmannszüge nahm dort gestern ihren Betrieb auf. Wahrheit-Reporter Fritz Tietz besuchte die Koldenbüttler Lutz-Ehrmanntraut-Kampfbahn, um eine Antwort auf die Frage aller Fragen zu finden: Funktioniert die Anlage denn auch?
taz: Um es gleich vorwegzunehmen: Ja, die Anlage funktioniert einwandfrei, um nicht zu sagen allererste Sahne, und Sie merken, liebe Leser, an dieser Formulierung, dass ich wirklich sehr begeistert bin von dieser vollautomatischen Waschmaschine für Fanfaren- und Spielmannszüge. Bei mir steht Hygieneanlagenbauer Jürgen Langenhövel …
Jürgen Langenhövel: Jawoll.
… der Erfinder, Betreiber und, ja man muss sagen, geistige Vater dieser, für unsere Fanfaren- und Spielmannszüge so enorm wichtigen Technologie.
Je nun, so kann man das sagen.
Herr Langenhövel, bevor wir die technischen Einzelheiten erörtern: Woran hat es denn gehapert, dass sich die Endfertigung so lange verzögerte?
Nun, wir hatten einige gravierendere Probleme mit dem Bürstenborstenbesatz im ersten Waschgang. Der weich geflachste Rohrdommelflaum erwies sich als zu unbeständig für den Dauerbetrieb, so dass wir auf Barthaare hormonbehandelter rumänischer Kugelstoßerinnen umrüsten mussten, und da gab’s leider Lieferschwierigkeiten. Und dann kam ja noch die Geschichte mit meiner Geschlechtsumwandlung dazwischen.
Richtig, Sie mussten sich unlängst überraschend das Geschlecht umbosseln lassen. Die Boulevardpresse hat lang und leider auch sehr schmutzig über Ihren Fall berichtet und Ihnen dabei wohl auch einige tiefe seelische Wunden zugefügt, in die wir deshalb heute kein zusätzliches Salz mehr streuen wollen.
Je nun, das wäre schon sehr nett.
Aber halten wir das ruhig noch mal fest: Vor wenigen Wochen waren Sie noch …
… eine Frau. Ganz genau.
Weswegen man Sie ja eigentlich eher als geistige Mutter, denn als geistigen Vater Ihrer, ich wiederhole mich da gern, wunderbaren Waschanlage bezeichnen müsste – in die übrigens gerade, liebe Leser, Sie können das leider nicht sehen, das Jugendfanfarencorps Nütterheide unter der exzellenten Stabsführung von Tambourmajor Hauke Brausepöter in geschlossener Marschformation einrückt. Warum, Frau … pardon, Herr Langenhövel, ist denn die gründliche Reinigung eines solchen Fanfarenzuges eigentlich so wichtig?
Nun, ich sach mal so: Fanfaren- und Spielmannszüge absorbieren ja, und das in Sonderheit bei hochleistungsmusikalischen Wertungswettkämpfen, große Mengen an Körperflüssigkeit.
Zum Beispiel?
Nun, Stressschweiß in erster Linie, erhöhter Speichelfluss wäre auch zu nennen und auch Harnrückstände, die – aber das ist ja ganz normal – aus der Wäsche der Musiker ausgasen. Das alles zusammen verursacht allerdings diesen strengen Geruch, wie wir ihn in Sonderheit bei den Wertungswettkämpfen immer wieder registrieren, und das schadet auch, nicht wahr, nicht unwesentlich den Instrumenten.
Damit ist es nun aber ein für alle mal vorbei.
Ganz richtig. Jetzt können sich die Musiker nach jeder Wertungsrunde zugweise grundreinigen lassen. Ein Sekrete-Sensor misst zunächst ihren, ich sach jetzt mal salopp, Verschmutzungsgrad, und dann wird automatisch das entsprechende Waschprogramm angefahren.
Das heißt: Es gibt unterschiedliche Programme, wie – wenn der Vergleich erlaubt ist – in einer Autowaschanlage?
Ja, bis auf Heißwachs und Lackpolitur sind die Programme praktisch identisch: also Waschen mit und ohne Intensivschaum, Klarspülen, Unterboden und natürlich Turbotrocknen. Anders allerdings als in Auto- oder Frauenwaschanlagen, die wir ja ebenfalls herstellen, können wir dem Wasser hier spezielle, auf Fanfaren- und Spielmannszüge zugeschnittene, leistungssteigernde Präparate zusetzen, also Marschamphetamine, Rythmushormone oder auch Trampelmusenkonzentrate.
Jetzt flackert da plötzlich, Herr Langenhövel, an der Anlage eine rote Warnlampe auf.
Nun, na ja, das hat an sich weiter nichts zu bedeuten, außer vielleicht dass möglicherweise irgendwas nicht ganz rund läuft.
Schon. Aber rotes Licht signalisiert doch eigentlich Gefahr. Auch sehe ich jetzt dichten schwarzen Qualm aus dem Innern der Anlage quillen. Wie sicher ist denn so ein Waschgang für die Nutzer?
Die Nutzung ist absolut ungefährlich. Es ist nur so, dass wir, das kommt schon mal vor, für abgerissene Uniformknöpfe, verstimmte Flöten, gerissene Trommelfelle und so weiter keinerlei Haftung übernehmen können.
Nun, das kennt man ja schon aus ihren Frauenwaschanlagen, wo den Frauen ja meinethalben eine verrutschte Frisur, eine Laufmasche oder eine Frühgeburt auch nicht unbedingt ersetzt wird.
Eben.
Ziehen wir also, während gerade die offenbar etwas zu heiß gelaufene Waschanlage von der Koldenbüttler Feuerwehr unter Einsatz schweren Geräts evakuiert wird, ein vorläufiges Fazit: Abgesehen von ein paar kleinen Kinderkrankheiten, die das System offenbar noch aufweist, hat sich, kann man wohl sagen, die Technologie dieser Fanfaren- und Spielmannszüge-Waschanlage bei ihrem ersten Einsatz im Großen und Ganzen bewährt.
Das hört man gern.
Herr Langenhövel, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.
INTERVIEW: FRITZ TIETZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen