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Konterrevolution im Kulturbahnhof

Von wegen neuer Vorstand im Vegesacker Kulturbahnhof: Weil die Umstürzler, die dem ungeliebten Vorsitzenden von Stebut den Löffel abgenommen hatten, das ohne nötige Formalien taten, sind sie nun entmachtet – und von Stebut ist wieder da

Bremen taz ■ Deutsche Revolutionäre würden, hat Lenin einmal gespottet, den Bahnsteig nicht ohne Bahnsteigkarte stürmen. Auch bei Umstürzen im Vereinswesen muss alles ordnungsgemäß vor sich gegen, das hat der Ende April gewählte neue Vorstand des Vegesacker Kulturbahnhofes (kuba) jetzt erfahren: Das Landgericht hat die Wahl für ungültig erklärt.

Eigentlich war alles klar gewesen: Die Mehrheit der Mitglieder des kuba-Trägervereins wollte einen Neuanfang, und der bisherige Vorsitzende Udo von Stebut, dem eigenmächtiges Verhalten vorgeworfen wurde, hatte in klarer Einschätzung der Mehrheiten erklärt, er wolle nicht erneut kandidieren. Und da die Mehrheiten klar waren, stimmte die Versammlung in Blockwahl ab. Niemand erhob damals dagegen Einspruch. Das geht aber nicht, fand das Registergericht. Zudem war die Versammlung an einen neuen Ort umgezogen, ohne einen Zettel für Nachzügler an die Tür des in der ordnungsgemäßen Einladung angegebenen Versammlungsortes zu heften. Und zu allem Überfluss hatte die Protokollantin im Kopf des Protokolls, das die Neuwahl dokumentierte, nicht erwähnt, um welchen Verein es überhaupt geht.

Formfehler also über Formfehler, der Umsturz fand im Grunde nicht statt, und wenn der neue Vorstand plötzlich keiner mehr ist, kommt der alte wieder ans Ruder: Udo von Stebut ist wieder „Vorstandsvorsitzender“ des Kulturvereins.

Zur Ruhe gekommen war das Kulturzentrum nach der April-Wahl ohnehin nicht. Eine Werkstatt-Arbeit fand kaum statt, da sich Stebut mit den meisten Künstlern, die im kuba gearbeitet hatten, überworfen hatte. Zum großen Krach war es im Dezember gekommen, als das kuba sich auch von seinem langjährigen künstlerischen Leiter Hans König trennte. Kurz bevor die Neuwahl des Vorstandes anstand, hatte von Stebut den Bremer Theatermann Jürgen Müller-Popken mit einem Jahresvertrag verpflichtet – und damit die Alternative zu Hans König personell festgeklopft.

Auch eine förmliche „Amtsübergabe“ fand nach der Neuwahl am 30. April nicht statt, der neue Vorstand um Egbert Heiß bekam so kein Exemplar des Vertrages in die Hand, mit dem von Stebut die Geschäftsführerin Ina von Sarközy angestellt hatte. Mit ihr gab es heftige Auseinandersetzungen, weil der neue Vorstand ihre Kompetenz auf die reine Verwaltung des Kulturzentrums beschränken wollte. De facto war sie die meiste Zeit seit der Neuwahl des Vorstandes dann entweder beurlaubt oder in Urlaub. Auch über die künstlerische Führung des gab es Streit. Der neu gewählte Vorstand hatte deutlich gemacht, dass er mit dem rausgeworfenen Theatermann Hans König weiter zusammenarbeiten wolle und dass offen sei, was nach Auslaufen des Müller-Popken-Vertrags werde.

Die Revolutionäre hatten also nie richtig die Macht übernehmen können. Seit Wochen schon wurde über einen Anwalt die Annullierung der Vorstands-Neuwahl betrieben. Anfang der Woche dann mussten die Umstürzler das Feld räumen und die Schlüssel wieder abgeben.

Durch die Entscheidung des Landgerichtes haben sich allerdings die Mehrheitsverhältnisse im Trägerverein des Kulturbahnhofes Vegesack nicht geändert. Von Stebut hat angekündigt, er wolle beim Amtsgericht die Einsetzung eines Notvorstandes beantragen, erst nach einer Phase der Stabilisierung solle es seiner Auffassung nach im Herbst eine ordnungsgemäße Vorstandswahl geben.

Klaus Wolschner

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