WOCHENÜBERSICHT: KUNST: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um
An fast jeder Straßenecke sind sie zu sehen: mehr oder weniger entspannt lächelnde Menschen. Bald darauf klickt und blitzt es, dann gleiten die Gesichtszüge Richtung Kniekehle hinab. Und schon ist es vollbracht und es geht Richtung Heimat, wo die Erinnerungen fein säuberlich archiviert werden. Doch welch Unglück? Karl-Heinz, vor zwölf Jahren zu Füßen des Eiffelturms für die Ewigkeit abgelichtet, schwindet dahin – die Farbe verblasst. Ein Prozess, mit dem sich auch Sammler und Künstler herumärgern müssen. Denn bereits nach fünf Jahren treten die ersten Farbverschiebungen auf. Auch bei Arbeiten von Künstlerstars wie Tillmanns oder Gursky, weswegen Profis über Kühlarchive verfügen, in denen sie Negative und Abzüge schonend lagern. So wird es wohl auch Tom Wood halten. Der in Irland geborene Fotograf lichtet nämlich bereits seit 30 Jahren Menschen ab. Der einzige Ort, an dem er dabei kreativ wird, ist Liverpool. „Sad Beautiful Life“, der Name der Ausstellung ist bei ihm Programm. Ob müde Blondinen in einer Disco oder Passanten an einer Busstation, die abgebildeten Briten schwingen bei Woods stets im traurigen Middelclass-Swing. Ob 70er-, 80er- oder 90er- Jahre, die Zeit zieht unmerklich dahin. Eine Stadt wie Liverpool scheint ihre Bewohner eben zu konservieren. Ganz anders arbeitete dagegen Stanislaw Ignacy Witkiewicz. Der polnische Avantgardekünstler produzierte zwischen 1907 und 1939 neben den in der Galerie Berinson ausgestellten Fotografien zahlreiche Theaterstücke und Gemälde. Zum Ende seines Lebens widmete er sich verstärkt der Philosophie. Bei seinen fotografischen Arbeiten experimentiert er mit wassergefüllten Stäben, die ihm als Linsen dienten. So entstanden die einzigartigen Nahaufnahmen, die zu Recht vermuten lassen, dass der Mann nicht nur im künstlerischen Ausdruck experimentiert hat.
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