: Die Nummer Zwei im Norden
In der Rückrunde der Fußball-Bundesliga, die morgen beginnt, wird Werder Bremen dem langjährigen Rivalen HSV allenfalls mit dem Fernglas zuschauen. Und damit ist der Club von der Weser noch gut bedient. Denn Bremen ist der Absteiger der Herzen
Warum eigentlich über Werder reden? Ach ja, richtig, die Fußball-Bundesliga-Rückrunde startet morgen, und auch die Bremer spielen da irgendwie wieder mit. Aber eben, so viel ist klar: Mehr wird es in diesem Jahr auch nicht sein.
Sportlich jedenfalls nicht. Die Mannschaft, mit der man sich sonst vergleichen mochte, ist völlig außer Reichweite: Früher plakatierten sie am Weserstadion stolz und natürlich mit Seitenblick auf den Hamburger Sportverein, dass die Grünweißen die Nummer eins im Norden seien. Ende vergangener Saison hatten sie sogar auf der ewigen Bundesliga-Tabelle erstmals den Rivalen aus der Großstadt überholt.
Das ist schon längst wieder passé. In diesem Jahr liefert sich das Team mit dem VfL Wolfsburg ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen um das Zentrum des Mittelmaßes: Beide Clubs haben 26 Punkte, Bremen ein paar Tore mehr, sowohl geschossen als auch bekommen. Dafür hat der VW-Verein am Mittwoch im Pokal die vom Bremer Denkmal Dieter Eilts trainierten Rostocker relativ deutlich mit 5 : 1 besiegt, Werder hingegen die Dortmunder nur mit Müh und Not niedergekämpft. Und wenn es im Bremer Profi-Fußball ein Kontinuum gibt, dann ist das ja wohl die alljährliche Schwächephase nach der Winterpause.
Imagetechnisch sind die Werderaner auch nicht mehr das, was sie früher attraktiv gemacht hat. Wahr ist, dass sie weiterhin stürmisch auftreten und die Abwehr wackelt. Aber den heroischen Status des Zwergen, der den Riesen foppt, ihn besiegt und über ihn triumphiert – den haben sie längst an Hannover 96 abgegeben. Auch wenn es da mit dem Besiegen und Triumphieren noch nicht so weit her ist.
Es muss ja nicht immer so eine durchschaubare Maßnahme wie beim VfL Wolfsburg sein, der in dieser Saison statt für ein kommerzielles Unternehmen für eine karitative Bild-Zeitungs-Aktion Werbung läuft – nämlich im Bemühen, dem Retorten-Club ohne Anhängerschaft wenigstens ein menschliches Antlitz zu verleihen. Aber dass sich Werder in den vergangenen Jahren mit sicherem Griff die schmierigsten Werbepartner der Liga aussucht, hat zu Recht die oft wiederholte Rede von der vorbildlichen Unternehmenskultur des Bremer Vereins zum Verstummen gebracht. Erst war es mit Bwin ein am Rande des Legalen lavierendes Online-Zock-Unternehmen. Jetzt ist es mit der Citibank ein Institut, dessen Kreditvergabepraxis umstritten ist.
Man weiß es ja nicht, solche Verhandlungen sind ja immer streng geheim – aber man möchte wetten: Nächste Saison laufen die Bremer Spieler wahrscheinlich mit dem Schriftzug der Lürssen-Werft, dem EADS-Logo oder eines anderen Rüstungskonzerns auf der Brust über den Rasen. Wenn’s denn genug Geld bringt!
Die Sponsorensuche ist aber nur ein Symptom, eine Art Beschaffungskriminalität. Beschafft werden Spieler – und zu denen unterhielt der Bremer Club früher ein sich durch Geduld und Pflege auszeichnendes Verhältnis: Das war der Schlüssel zum Erfolg, etwa im Falle Ailtons, der Jahre lang als Fehleinkauf galt. Und dann Torschützenkönig wurde und Werder zur Meisterschaft schoss. Man hat junge talentierte Spieler eingekauft, sich entwickeln lassen – und dann, mit großem Gewinn, weiterverkauft.
Mittlerweile verfolgt der HSV dieses intelligente Geschäftsmodell: Denn so dünn gestreut ist fußballerisches Talent nicht. Und das Gesetz der Wahrscheinlichkeit besagt: Für die metaphysischen Ablösesummen, die ihnen der Verkauf begabter Niederländer in die Kassen spült, können die Hamburger etliche gleichwertige junge Spieler erwerben. Gerade weil der Traditionsverein sich unter den ambitionierten Jungsportlern damit den Ruf eines Sprungbretts in die Welt-Elite erwirbt.
Werder dagegen konsumiert seine Spieler nur noch. Pierre Womé oder Ivan Klasnic stellen Ansprüche an die gesundheitliche Versorgung? Weg damit! Boubacar Sanogo, den der Boulevard zu schwarz findet, funktioniert nicht reibungslos? Weg damit! Der, immerhin, hat mit seinem Abgang nach Hoffenheim noch eine realistische Chance, um die deutsche Meisterschaft mitzuspielen und in der kommenden Saison die Champions League aufzumischen. Werder hingegen ist, moralisch, mit dem achten Platz noch bestens bedient.
Denn in Wahrheit sind die Bremer die Absteiger der Herzen.
BENNO SCHIRRMEISTER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen