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berliner szenen Nach Hause

Lost in Nahverkehr

Neulich Nacht hab ich mal wieder den Vogel abgeschossen. Da bin ich nach der Lesung mit den Öffentlichen nach Hause. Das Fahrrad hatte ich wegen Glatteis stehen lassen, außerdem funktionierte mein Vorderlicht nicht. Also S-Bahn vom Ostkreuz nach Pankow. Eigentlich kein Problem, die S8 fährt ja durch. Sie kam auch gleich, aber vorne stand „Schönhauser Allee“ dran. Na gut, dachte ich, kannste Schönhauser immer noch gucken, ob die andere kommt. Oder mit der U2 weiterfahren.

Damit das geklärt ist, ich hasse öffentliche Verkehrsmittel. Ich hab nämlich gar keinen Orientierungssinn, und mir gefällt die Vorstellung nicht, irgendwohin transportiert zu werden, ohne Einfluss auf die Richtung zu haben. Ja, sie schreiben es vorne dran, aber ich bin Schriftstellerin, ich weiß, wie viele Bedeutungen hinter einem einzigen Wort lauern können. Außerdem saß ich schon mal in einem Zug, der sich verfahren hat.

Schönhauser stieg ich also aus und sah auf die Anzeige: „Wedding, 1 min“ stand da für die Bahn, aus der ich gerade ausgestiegen war. Ich dachte „Wedding? Das ist doch meine Richtung!“ und stieg wieder ein. Als gebürtige Pankowerin denke ich immer, dass Wedding ja auch irgendwie Osten ist. Die Bahn fuhr und hielt Gesundbrunnen, und ich dachte: „Nee, Gesundbrunnen? Das ist falsch.“ Aber weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte, blieb ich sitzen. Und dann kam Wedding. Und ich dachte „Nee, das ist ganz falsch!“ und stieg aus. Auf der Anzeige stand „Grünau, 3 min“ für genau dieselbe Bahn. Und ich dachte „Ach, leckt mich doch alle am Arsch!“ und stieg wieder ein, fuhr die zwei Stationen zurück und nahm dann doch die U2. Morgen repariere ich das Vorderlicht. LEA STREISAND

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