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Für die Tage und die Nächte

Die Attitüde Berlin und der Düsseldorf-München-Look: Wie trotzig und nachlässig das eine, wie elegant das andere sein kann, war auf der Fashion Week Berlin gut zu sehen. Und das Verrückteste, Bernhard Willhelms Herrenmode, kam aus Paris

VON ELISABETH RAETHER

Seid ihr aus Brasilien?, fragt ein Fotograf zwei schwarzhaarige Frauen, die im Zelt am Bebelplatz auf einem der weißen Sofas sitzen und auf den Beginn der nächsten Show warten. Nee, sagen sie, wir sind aus Berlin. Ach so, sagt der Fotograf, ihr seht aus wie aus Brasilien.

Die Mercedes Benz Fashion Week Berlin möchte gern international sein. Trotzdem sind viele der Designer nur hier bekannt, manche im Ausland gar nicht erhältlich. Mit der Frage, wie weltgewandt oder provinziell deutsche Mode und Deutschland überhaupt sind, muss man sich trotzdem nicht rumquälen. Denn zum einen ist die Pariser Modewoche auch eine sehr französische Angelegenheit. Zum anderen ist der deutsche Look eigentlich ganz interessant, wie man bei der am Sonntag zu Ende gegangenen vierten Berliner Modewoche sehen konnte.

Da ist zum einen der Düsseldorf-Stuttgart-München-Look: aufgeräumt, ein bisschen trendbewusst, aber nicht zu sehr, elegant, aber leger, hochwertig in der Verarbeitung und nicht so teuer. Und zum anderen gibt es diese Berlin-Attitüde: androgyn und leicht infantil, ein bisschen trotzig, immer etwas angesifft und nachlässig, Kleidung, die sich für die kalten, langen Nächte eignet.

Was gerade tragbar wird

Strenesse hat seinen Sitz in einer kleinen bayerischen Stadt und macht Mode für Frauen, die nicht in Berlin wohnen und früh zu Bett gehen. Die Tochter des Firmengründers Viktoria Strehle ist als Kreativdirektorin zuständig für die Marke Strenesse Blue. Zu Beginn der Schau tritt Jazztrompeter Till Brönner auf den Laufsteg und spielt eine traurige Melodie, Boris Becker drückt seiner Lilly die Hand. Die Kollektion nimmt die Trends auf, die gerade erst groß werden, und macht sie tragbar. Zum Beispiel die Boyfriend-Cut-Hosen, hier aus wurzelholzfarbenem Tweed. Oder der Monochrom-Look: in Seegrün, Fuchsia und einem matten Gelb. Oder die transparenten Stoffe. Und die grauen Socken, die in braunen soliden Stiefeln zu den Looks getragen werden, sind eine subtile Interpretation des aktuellen 90er-Jahre-Grunge. Toni Garrn trug ihr langes blondes Haar offen, und als sie über den Laufsteg schritt, wehte eine kleine Wolke aus Haarspray hinter ihr her.

Auch bei Schumacher war Mode zu sehen, die einfach zu tragen ist, die sich in den Alltag einpasst, aber dennoch ein Statement abgibt. Dorothee Schumacher, Gründerin des Mannheimer Labels, hat inzwischen 80 Mitarbeiter (und vier Kinder) und zeigte zum ersten Mal eine Kollektion in Berlin. Ihr Stil ist verspielt und sehr weiblich in einem altmodischen Sinne. Zu sehen waren Mäntel aus weichem Mohair, fließende, lange Schals zu großen seitlichen Schleifen um den Hals gebunden, geraffte Cocktailkleider, schiefergraue und karamellfarbene Seidenstoffe und üppige Ketten und Broschen aus gefärbtem Glas.

Mode hat in Deutschland mehr mit Industrie zu tun, schrieb Dirk Schöneberger, der Designer des Labels Joop, zum Auftakt der Modewoche in einem Zeitungsartikel. Mode werde in Deutschland nicht als kulturelles Ereignis betrachtet, sondern sei vor allem eine Industrie.

Er selbst zeigte dann, wie man anspruchsvolle Mode macht, die man trotzdem noch in deutschen Kaufhäusern verkaufen kann. Bei seiner Schau im Hamburger Bahnhof war viel Schwarz und Leder zu sehen, die Models trugen dunkelroten Lippenstift und das Haar lang und glatt. Die Kollektion erinnerte an die herbe Sexiness bei Givenchy. Schöneberger zeigte zum Beispiel ein schwarzes Shiftkleid, dessen metallene Applikationen die Schultern ein bisschen akzentuierten, aber die Silhouette nicht überzeichnen. Power-Dressing, das auch für die Abteilungsleiterin bei Siemens funktioniert.

Männer zeigen Haut

Lala Berlin dagegen tragen Frauen in Jobs mit weniger strenger Kleiderordnung. Berliner Modebloggerinnen zum Beispiel. Die Designerin selbst, Leyla Piedayesh, hatte Turnschuhe und Jeans an und ihr Kind auf dem Arm, als sie am Ende der Show kurz auf den Laufsteg trat, um sich beim Publikum zu bedanken. Ihre lässige Kollektion bestand aus Wollpullöverchen, die auf kunstvolle Weise fast auseinanderfielen (wie bei Rodarte), aus großen, kuscheligen gestreiften Strickjacken, bedruckten Leggings und vollkommen transparenten Overalls.

Bernhard Willhelm veranstaltete statt einer Modenschau eine Installation im Postbahnhof, um seine neue Herrenkollektion vorzustellen. Die Männer hatten Skimoden-artige Jacken, Unterhemden und hautenge Hosen an, die viel Haut freiließen, das Ganze in 70er-Jahre-Farben. Die Bärte der Models waren golden eingefärbt, ihre Wangen schimmerten zartrosa wie die eines Skihaserls. Mit ihren Skistiefeln ritten sie auf Plastikpferden, spielten Federball oder kletterten auf einer Riesenschaukel herum. Ein riesiger Eiffelturm ragte in der meterhohen Halle empor. Es war alles sehr „verrückt“, so wie man sich Berlin vorstellt, wenn man nicht hier wohnt. Und bei Bernhard Willhelm, der eigentlich seit Jahren in Paris arbeitet, zeigt sich schließlich, dass der Berliner Übermut, für den die Stadt ja im Ausland bewundert wird, manchmal auch international sehr gut als Markenzeichen funktionieren kann.

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