: Die letzte Bratwurst vor Amerika
Wolfgang Bald ließ sich vor 10 Jahren mit seiner Frau Petra an der portugiesischen Algarve nieder. Seit 1997 verkauft er am Cabo São Vicente, dem Kap am „Ende der alten Welt“ und südwestlichsten Zipfel Europas, Bratwurst an Touristen
INTERVIEW GÜNTER ERMLICH
taz: Was heißt „Bratwurst“ auf Portugiesisch? Oder bieten Sie die Bratwurst etwa nur auf Deutsch an?
Wolfgang Bald: Engländer, Holländer, fast alle Ausländer kennen das Wort „Bratwurst“, auch viele Portugiesen, die in Deutschland gearbeitet haben. „Bratwurst“ heißt auf Portugiesisch salsicha.
Wie kommt ein Nürnberger Auswanderer auf die Idee, an der Algarve Bratwürste zu brutzeln?
Meine Frau und ich waren hier oft mit dem Wohnmobil in Urlaub. Es hat uns prima gefallen. Weil ich aber kein Fischesser bin, hatte ich immer Heißhunger auf etwas Heimisches. Damals, vor fünfzehn Jahren, hat man außer Hühnchen hier nichts gekriegt, kein vernünftiges Fleisch, die Supermärkte hatten teilweise noch keine Gefriertruhen. Da ist die Idee entstanden.
„Letzte Bratwurst vor Amerika“: Was hat Sie zu dem Namen gebracht?
Das wurde aus der Not heraus geboren. Es klingt wie „die letzte Tankstelle vor der Autobahn“. Im ersten Jahr bekamen wir noch keine Genehmigung, direkt auf dem Kap zu verkaufen, weil es Marinegelände ist und die Marine uns die Lizenz verweigert hatte. Deswegen platzierten wir unseren Grillwagen an der Ausfallstraße und stellten zwei Schilder auf. Richtung Kap „Letzte Bratwurst vor Amerika“ und in der anderen Richtung „Erstes Schaschlik in Europa.“ Viele Autofahrer bremsten, es gab einige Beinaheunfälle. Das hat die Behörden bewogen, uns die Genehmigung oben am Kap zu geben.
An einen derart exponierten Tummelplatz für Touristen eine Brutzelkonzession zu bekommen – zumal als Ausländer –, da haben sie Schwein gehabt.
Ja, das ist der ideale Platz. Sagres ist ein kleines, verträumtes Örtchen mit dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands, da fährt alles hin. Heute wäre es unmöglich, eine Lizenz zu bekommen, weil sie limitiert sind. Das ist wie in Nürnberg, wo es nahezu unmöglich ist, auf dem Weihnachtsmarkt einen Stand zu eröffnen. Der wird vererbt, da müssen Sie reinheiraten.
Dass Sie über Ihrem Wurststand die rot-weiße Flagge von Franken hissten, hat den Autoritäten nicht geschmeckt.
Ein Nürnberger Busfahrer hatte mir eine rot-weiße Busflagge geschenkt. Portugal hatte gerade Probleme mit Indonesien wegen Osttimor. Da dachten die Portugiesen, spinnt der, jetzt ist der für Indonesien und hängt die indonesische Flagge raus. Die ist nämlich auch weiß-rot. Ich habe sie natürlich sofort runtergenommen.
Ihre Würste stammen original aus Deutschland. Werden sie im Flugzeug herangeschafft?
Das war früher, den Lufttransport kann man heute nicht mehr bezahlen. Jetzt fährt ein Kühllaster runter, die Würste kommen bei 5 Grad an, wir frieren sie sofort ein, da passiert nix, die Ware ist immer frisch.
Importieren Sie die Ware wegen des deutschen Reinheitsgebots, oder gibt es in Portugal keine leckeren Würste?
Die Bratwürste, die die Portugiesen produzieren oder kopieren, sind für den nichtportugiesischen Magen nicht geeignet. Die schmecken grausam, das ist ein Batzen Fett in Salzkruste. Wir haben original Nürnberger, original Fränkische und original Thüringer im Angebot. Es gibt jetzt eine EU-Verordnung mit strengen Kontrollen. Danach darf sich „original“ nur nennen, was auch tatsächlich aus dem betreffenden Land kommt, von den Schweinen und von der Verarbeitung her. Unsere Würste haben sogar ein deutsches TÜV-Siegel.
Sind Ihre Kunden überwiegend deutsche Touristen?
Vor fünf Jahren hatten wir 95 Prozent deutsche Touristen, heute sind es noch 30 Prozent, der Rest sind Engländer, Holländer, Spanier, natürlich Portugiesen. Die Algarve ist sehr teuer geworden. Mittlerweile machen wesentlich weniger Deutsche hier Urlaub.
Deutsche Bratwurst an der Algarve, das hat den Ruch von Eisbein mit Sauerkraut auf Mallorca.
Es gibt immer noch Leute, die unseren Bratwurststand für den Ausverkauf der portugiesischen Kultur halten. Aber in Deutschland ist es doch auch selbstverständlich, dass man Pizza, Hamburger oder Döner isst.
Können Sie Bratwürste überhaupt noch riechen?
Ja natürlich, ich esse jeden Tag eine, meine Frau jeden zweiten Tag eine halbe. Ich muss sie ja probieren. Sie schmeckt nach wie vor gut. Nur die Blutfettwerte werden im Lauf der Jahre hoch. Aber dagegen gibt’s ja Tabletten.
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