die heimat im test. heute: haubentauch in mecklenburg von WIGLAF DROSTE:
Wenn man sich unweit der mecklenburgischen Kleinstadt Feldberg, zwischen Triepkendorf und Koldenhof, in den Wald hineinschlägt und ein paar Kilometer auf einer sehr rumpumpeligen Straße fährt, kommt man zum Schulzensee – und entdeckt dort, tief versteckt im Wald, das Jagdschloss Waldsee. Dieses Seegrundstück hatte die Staatssicherheit reserviert. Noch heute beschwärmt der Hausprospekt wörtlich „die großzügig erbaute ehemalige Residenz der damaligen Obrigkeiten wie Erich Mielke, der hier seinen Jagdfreuden nachging und bedeutende Gäste wie den heutigen russischen Präsident Putin empfing“.
Putin war als Geheimdienstchef zu Gast bei seinem Kollegen Mielke – die jetzigen Gäste sehen aus, als seien sie schon immer Teil des Inventars gewesen. Es gibt eine Stasi-Kleiderordnung, eine ostentative Berufsostigkeit bis in die Klamotten hinein – trotzig wird sie weiter vor sich her getragen, von Frauen und Männern, die das graue Air des Zu-Ende-gelebt-Habens umweht. Auf dem Gelände des Mielkeschen Refugiums ist das Aufseherhafte präsent, etwas Wachhabendes hat überlebt. Das klandestin Verschwiemelte, wichtig Heimlichtuerische aller professionellen staatlichen Geheimniskrämerei ist noch da, genau wie die Patina aus „Goldkrone“ und Lysol.
Im See schwimmt ein Rentnerpärchen und äugt misstrauisch, ob keiner was klaut – nein, ich stehle nicht, obwohl ich doch aus dem Westen bin, ich reiße mir nichts unter den Nagel. Es gibt eine Cola und ein Hefeweizen und ein paar Blicke auf die Mischung aus sehr bescheidenem DDR-Prunk und Barackismus, dann sind wir fort und fahren, dahin, wo es heller wird.
Direkt am Feldberger Haussee liegt das Landhaus Stöcker. Die 1912 gebaute Villa wurde von der heutigen Besitzerin über Jahre liebevoll renoviert und ist jetzt: ein Traum. Der große Garten grenzt direkt ans Wasser, es gibt sogar Badestellen, und so geht es hinein ins Gewässer. Ein Schock Lachmöwen flattert auf, Enten gleiten vorbei, und nach ein paar Schwimmzügen taucht – flupp! – ein Haubentaucher auf, nur drei Meter entfernt. Wir bekucken einander neugierig, dann geht der Schönere von uns beiden wieder tauchen.
Die Abendsonne überm See sieht aus wie mit Spiegeleigelb gemalt, am Ufer hocken die Möwen und ähneln mit ihren Schnäbelköpfen dem Dichter Joachim Ringelnatz. Freund Haubentaucher lässt sich ein zweites Mal blicken, jetzt hat er Frau und Kind dabei. Im Garten ist Rabatz, Fledermäuse fledern ledern, und die Grillen … – grillen? Nein, von den Schrecken des Angrillens weiß der Grashüpfer hier glücklicherweise nichts, er singt und sirrt nur lauthals vor sich hin.
Vier Zimmer vermietet das Landhaus Stöcker, sie sind so stilvoll und komfortabel wie das ganze Haus. Wir verkucken uns in das Zimmer mit der halbkreisförmigen großen Terrasse zum See hin. Zwei Windlichter erhellen Nacht und Terrasse, auf dem See hört man Wasservögel pladdern. Am Morgen, zum Frühstück, lachen die Möwen. Das Leben ist herrlich.
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