: Erlebnispark unter der Raute
Bernd Hoffmann, HSV-Vorstandsvorsitzender, über seine Ansprüche der Alsterrundfahrt den Konkurrenzkampf anzusagen, ein 14,5-Millionen-Loch zu stopfen und genauso erfolgreich zu arbeiten wie das Team auf dem Spielfeld
taz: Kann man sagen, die Lage des HSV ist mit dem ramponierten Rasen der AOL-Arena zu vergleichen?
Bernd Hoffmann: Schön wär‘s. Wenn die Probleme des HSV quasi über Nacht behoben werden könnten wie die Ausbesserung unseres Rasens, wären wir ein ganzes Stück weiter.
Sportlich betrachtet dürften sich die Sorgenfalten des HSV geglättet haben. Immerhin werden sie nach dem Ligapokalsieg über Nacht zum Meisterschaftskandidaten hochgejazzt.
Wir haben gegen Bayern, Dortmund und Hertha gewonnen, da muss man einem erfolgsverhungerten Umfeld kurzfristigen Überschwang zugestehen. Auf der anderen Seite müssen sich alle fragen, wann der HSV eigentlich letztmalig zwei Spielzeiten hintereinander eine gute Platzierung in der Bundesliga erreicht hat.
Gibt es eine miese Saison?
Nein, aber ich bin damit konfrontiert, wie zuletzt bei der Hauptsponsorsuche, dass der HSV in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich auf dem neunten Tabellenplatz rangiert. Das ist graues Mittelfeld und da wollen und müssen wir raus.
Finanziell gesehen wäre das graue Mittelfeld der Bundesliga derzeit ein großer Erfolg für den mit über 14 Millionen Euro verschuldeten HSV.
Es lohnt sich nicht, über Vergangenes zu diskutieren. Wir müssen nach vorne schauen und sehen, wie wir die Etatunterdeckung kompensieren können.
Haben Sie sich gewundert, dass zu der hohen fehlenden Summe bei der Versammlung vor der Saison kein Mitglied detaillierte Fragen äußerte?
Ich nehme an, dass es mit der Eigenheit eines Fußballvereins zusammenhängt, das so ein Minus ähnlich aufgefasst wird wie ein in letzter Sekunde verhinderter Abstieg. Wichtig ist, dass wir derzeit hart daran arbeiten, unsere gesteckten Ziele im wirtschaftlichen Bereich zu erfüllen.
Welche Ziele steckt der Vorstand dem Team und sich selbst?
Um das Ziel der schwarzen Null zum Ende dieser Saison zu erreichen müssen viele Etatfaktoren erfüllt werden. Die dritte Runde im UEFA-Pokal ist eine nicht unerhebliche, aber durchaus auch erreichbare Soll-Größe. Durch den Erfolg im Ligapokal haben wir den Posten DFB- plus Ligapokal bereits jetzt übererfüllt und durch den Hauptsponsor auch in etwa die im Etat eingestellte Summe erreicht. Mit dem Finanzkollaps der gesamten Bundesliga sind alle Vereine gezwungen, im wirtschaftlichen Bereich kontrollierter zu arbeiten. Das historische Versäumnis für Transparenz beim HSV zu sorgen, können wir rückgängig machen. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass wir mit der sportlichen Entwicklung Schritt halten können.
Also von einem Abstiegskandidaten in finanziellen Fragen zu einem erfolgreichen Mitglied der Top-Five Vereine?
Ich bin ein Verfechter der Theorie, dass Erfolg nicht auf eine Anhäufung von Zufälligkeiten oder einen verschossenen Elfmeter zu reduzieren ist. Selbst im Fußball nicht. Alles, was im Zusammenhang mit der HSV-Raute steht, muss absolut top sein. Die Qualität der gesamten Darstellung des HSV, das Auftreten der Mannschaft, des Vermarkters, der Mitarbeiter, des Vorstands, aber auch unserer Fans, prägt das Bild des Vereins und ergibt einen zunehmenden, auch wirtschaftlichen Erfolg, der von der sportlichen Leitung mittel- und langfristig umgemünzt werden kann. Der Anspruch ist, in allen Bereichen eine Spitzenstellung zu erreichen. Wir müssen uns als Dienstleister für Fans, Sponsoren und Medien verstehen.
Was bieten Sie an?
Unterhaltung. Wir stehen in Sachen Geld/Zeit-Budget der Bevölkerung in Konkurrenz zur Alsterrundfahrt. Das Gros unseres Publikums kommt etwa ein- bis fünfmal pro Saison ins Stadion. Das ist eine Gruppe, der wir was bieten müssen.
Fließende Bierbäche?
Nein, aber mich ärgert einiges: Die derzeitige desolate Verkehrssituation vor dem Stadion, weil der Abschluss der Bauarbeiten nicht rechtzeitig vonstatten ging. Das Wasser, das an den Rändern der Parkplätze steht. Das ist in diesem Fall nicht unsere Verantwortung, aber auch wir können in puncto Flexibilität und Kundenorientierung noch vieles besser machen.
Es geht also um die Steigerung des Unterhaltungswertes?
Ja, und in den kommenden drei Jahren bis zur WM 2006 planen wir mit dem HSV-Museum, dem ans Stadion verlagerte Trainingszentrum der Profis, einem Hotel und einem Erlebnispark unter der HSV-Raute Freizeitangebote, die wiederum dem HSV, den Fans und damit mittelbar auch dem Team zugute kommen werden.
Nicht, dass irgendwer auf die Idee kommt, das Team plötzlich Rummelplatztruppe zu nennen.
Der Sport wird immer im Vordergrund stehen. In dieser Saison wird das niemand wagen, da die mannschaftliche Geschlossenheit ein Pfund ist, mit dem wir wuchern können. Interview: Oke Göttlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen