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berlinale szene Warten mit den Wahnis

Und überall Zensur

Gleich morgens am ersten Tag zum Potsdamer Platz geradelt. Die Beulenskulptur von Koons vor dem Berlinale-Palast ist dreckig, Dutzende von Tauben haben sich zum Festivalstart über ihr erleichtert. Auf der Toilette für die Journalisten dagegen ist das Klopapier noch zu hübschen Pfeilspitzen gefaltet. Ein livrierter Angestellter telefoniert vor den Waschbecken: „Wollte bloß fragen, wo du meinen superguten Putzlappen versteckt hast.“ Der Lappen ist so gut, weil er sich, wenn man ihn auswringt, gleich wieder trocken anfühlt.

Draußen an den Laternen diese unsagbaren Glitterbälle, die mit den Jahren wahrscheinlich an den Pfosten festgewachsen sind. Man schämt sich ein bisschen, behauptet doch die Bierwerbung überall, „Berlinale“ und „glamourös“ seien quasi eins.

Dann die endlosen Schlangen vor den Kassen. Einige „Wahnis“, so ein Schlangenexperte, hätten sogar wieder vor Ort übernachtet. Er selbst hat zehn Tage Urlaub genommen für seine „jährliche Dosis Realitätsflucht“. Bei der Pressekonferenz im Hyatt versagt bei der Frage eines chinesischen Journalisten das Mikro. Jurypräsidentin Swinton, so beeindruckend voller Haltung, sagt lächelnd: „There’s censorship everywhere.“ Als sie und ihre Kollegen Schlingensief, Wang und Mankell weiterreden, hört es sich an, als würden sie lieber nur Forum-Filme gucken: Afrika, Gaza, einfache Gesten, eigene Geschichten. Toll, denkt man, und das Berlinale-Gefühl ist da.

KIRSTEN RIESSELMANN

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