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Liebeserklärung an die Stadt per Aufkleber

Design ist Dienstleistung, meint Nana Yuriko. Mit ihrem Info- und Souvenir-Mobil touren sie und ihre Mitstreiterinnen auf Messen und Festivals

Freimütig bekennt Nana Yuriko: „Ich bin ein Fernsehturm-Fan“. Ihr hat es Berlin zu verdanken, dass das 34 Jahre alte Monument mittlerweile gar zum Sinnbild für das Wort „Ich“ geworden ist. So viel Identifikation mit einem Bauwerk muss näher erläutert werden.

Als Yuriko in New York war, stolperte sie über den Slogan: „I love NY“. Das Wort „love“ war ein Herz. Die 30-Jährige toppte die New Yorker Version und wies dem Fernsehturm, der durchaus wie ein „I“ aussehen kann, die Bedeutung von „Ich“ zu. Die Berliner Variante von „Ich liebe Berlin“ heißt aufgelöst demnach: „Fernsehturm Herz Berlin“. Die Botschaft wird verstanden. Die Botschaft ist international. Auf Yurikos Entwurfskonto gehen denn auch all die anderen Variationen: „Eiffelturm Herz Paris“, „Minarett Herz Mecca“, „Pagode Herz Bangkok“. Die Liste ist unvollständig.

Yuriko gehört zur jungen Berliner Design-Szene. Die trägt derzeit neue Impulse in die Stadt. Obwohl „kreative Köpfe“, haben sie meist keine Angst vor Dienstleistungen. Im Gegenteil, der Servicegedanke wird ihnen nicht selten zum Ausgangspunkt einer Geschäftsidee. Hinzu kommt, dass sie die kleinen in Berlin tätigen Manufakturen wieder entdeckt haben. Aus all diesen Aspekten entwickeln die Designer und Designerinnen neue Produkte für alte Zielgruppen. Die Touristen sind so eine.

Yuriko, deren Großmutter Berlinerin war und deren Mutter Japanerin ist, wollte ihr Bekenntnis zur Stadt nicht für sich behalten. Zusammen mit zwei Mitstreiterinnen ließ sie das „Fersehturm Herz Berlin“-Logo auf Postkarten, Tassen und T-Shirts drucken, suchte bei ihren Design-Freunden nach weiteren Souvenirs und organisierte ein ausrangiertes Imbissauto. Fertig war der mobile Andenkenladen. Vervollständigt ist er mit Computer und Internetanschluss. Das wahre Angebot der „Berlin Tourist Information International“-Crew (BTII), wie sich die Frauen nennen, umfasst nämlich neben den realen Dingen vor allem den ideellen Service: Wer wissen will, wo welche Konzerte, wo welche Vernissage ist oder wie man mit Rollerskates am besten die Stadt erkundet, der kann sich an die BTII-Hostessen wenden. Nirgendwo in der Stadt gäbe es kompetente Kulturberatung für Touristen, behauptet Yuriko, „wir aber haben das Know-how, weil wir aus der Szene kommen“. Yuriko und ihre Mitstreiterinnen verkaufen sich und ihr Progamm als ganzes Paket. Eventmarketing-Profis buchen die Damen als touristische Serviceeinheit nun für Messen und Festivals.

Auf den ersten Blick kommt das Konzept von BTII einfach daher. Weil die Damen jedoch Entwerferinnen, Produzentinnen und Dienstleisterinnen in einem sind, entstehen ganz neue gestalterische Freiheiten. Ihre Auftritte werden zur Performance und ihre Produkte zu einer Plattform, auf der praktischer Nutzen mit Überzeugungen verbunden wird. Die Qualität der Souvenirs beispielsweise soll vermeiden, dass sie zu Wegwerfartikeln werden. Die T-Shirts sind „Made in Berlin“, handgefertigt in einer Siebdruckwerkstatt. Auf dem Schildchen, das Material und Größe anzeigt, gibt es die Firmenphilosophie mitgeliefert: „No war nowhere“. So werden gelbe Hemden, auf denen das Schwarz-rot-Berlin-Logo steht, mit pazifistischer Botschaft versehen. Die Farbwahl spielt bewusst mit dem Zwiespalt, den viele Bundesbürger bei der Identifikation mit Deutschland verspüren. Auf anderen Berlin-Souvenir-Shirts ist zu lesen: „Ich bin ein Tourist überall auf der Welt, auch bei mir zuhause.“ Yuriko weiß, wovon sie spricht. Sie ist in München, Malaysia,Bangkok und Tokio aufgewachsen. WS

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