: Zwangshilfe abgelehnt
Die Sozialverbände kritisieren Pläne zur Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres und fordern, dass Freiwilligenarbeit attraktiver werden soll
VON ULLA JASPER
Die Idee von Bundesjustizministerin Zypries (SPD), den Wehr- und Zivildienst durch ein verpflichtendes soziales Jahr zu ersetzen, stößt auf breite gesellschaftliche Ablehnung. Nun hat sich auch die evangelische Landeskirche von Westfalen gegen diese Pläne ausgesprochen. In dem am Wochenende veröffentlichten „Appell zur Zukunft der Freiwilligendienste“ kritisiert die Kirche die Idee, die soziale Arbeit zu einer Zwangsmaßnahme zu machen. Wenn die soziale Arbeit mit Menschen erzwungen würde, litten darunter am Ende die Betreuten, heißt es in dem Appell.
Die Landeskirche spricht sich dafür aus, die Freiwilligendienste zu stärken und attraktiver zu machen. Soziales, bürgerschaftliches Engagement dürfe nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
Ähnlich argumentiert auch der deutsche Caritasverband. „Freiwilligkeit und soziale Kompetenz kann man nicht erzwingen. Der Zwang verstößt außerdem gegen die Verfassung,“ so Harald Westbeld vom Caritasverband der Diözese Münster. Er fordert deshalb vom Gesetzgeber konkrete Schritte, um freiwillige soziale Arbeit aufzuwerten. „Es könnte vielfältige Anreize geben, um Freiwilligenarbeit attraktiver zu machen, zum Beispiel durch Anrechnung bei den Studiengebühren oder der Rente.“ Westbeld weist aber auch darauf hin, dass die Position innerhalb der Caritas nicht ganz einheitlich sei. „Es gibt einige wenige Befürworter eines sozialen Pflichtjahres, aber die stehen ziemlich auf verlorenem Posten“.
Bei den Wohlfahrtsverbänden mischt sich in die Diskussion um das soziale Pflichtjahr auch die Angst vor dem plötzlichen Ende des Zivildienstes. Denn obwohl Zivis laut Gesetz nur „zusätzliche“ Arbeit leisten dürfen, ist ihre Mitarbeit an vielen Stellen unersetzlich geworden. Fällt also in Zukunft, was immer wahrscheinlicher wird, der Wehr- und Zivildienst weg, würde sich die Arbeit der Wohlfahrtsverbände erheblich verändern, so Westbeld.
Auch Claudia Zebandt vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Münster weist darauf hin, dass der Verband angesichts dieser Entwickung schon seit Jahren versucht, die Arbeit von Zivildienstleistenden durch regulär beschäftigte Arbeitskräfte sowieehrenamtliche Helfer zu ersetzen. Ein soziales Pflichtjahr lehne das DRK jedoch ausdrücklich ab: „Die Ehrenamtlichkeit ist einer der sieben Grundsätze unserer Arbeit.“
Unklar ist außerdem, wie die bundesweit rund 500.000 jungen Menschen, die pro Jahr einen solchen Pflichtdienst ableisten müßten, überhaupt beschäftigt werden könnten. Caritas-Sprecher Harald Westbeld räumt ein: „Es würde schwierig, genug sinnvolle Stellen zu schaffen. Außerdem müssten all diese Arbeitskräfte eingearbeitet werden. Das läßt sich kaum bewerkstelligen.“
Mit ihrer Ablehnung reagierten die Wohlfahrtsverbände und Kirchen auf einen Vorstoß von Bundesjustizministerin Zypries, die angeregt hatte, Lücken in der Europäischen Menschenrechtskonvention so zu interpretieren, dass ein soziales Pflichtjahr anstelle des Wehr- oder Zivildienstes möglich würde. Innenminister Otto Schily (SPD) stimmt ihr zu. Zur Abwehr der Gefahren durch den internationalen Terrorismus sei ein soziales Pflichtjahr notwendig. Auch NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD), ist begeistert von der Idee, den Bürgern auf diese Weise „Gemeinsinn und Verantwortung“ beizubringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen