: Gefeuerter Polizeichef feuert aufs Land
Bielefelds Ex-Polizeichef Host Kruse wurde entlassen, weil er Drogenhandel in einer Beratungsstelle geduldet haben soll. Nun will er Rehabilitierung, Schmerzensgeld und eine konsequentere Drogenpolitik in Nordrhein-Westfalen
BIELEFELD taz ■ Horst Kruse ist wütend. Deshalb kämpft sich der ehemalige Bielefelder Polizeichef durch die Instanzen. Seine Gegner: Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens und die Staatsanwaltschaften Münster und Bielefeld. Kruse kämpft um seinen Ruf – und gegen die seiner Meinung nach inkonsequente rot-grüne Drogenpolitik.
6.000 Euro Schmerzensgeld fordert Kruse vom Land, als Entschädigung für seine Entlassung wegen angeblicher Tolerierung von Drogenhandel. „Der Betrag ist symbolisch. Ich will meine Rehabilitierung“, sagt er. Der Prozess gegen ihn und die Bielefelder Drogenberater sei „politisch“ gewesen, findet Kruse. Deshalb will er nun auch ein Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm gegen seine Ankläger anstrengen. „Verfolgung Unschuldiger“ wirft er dem damaligen Münsteraner Oberstaatsanwalt Georg Schrade vor, der die Anklageschrift gegen ihn vorbereitet hatte. „Das waren 30.000 Seiten, mehr als bei Mannesmann,“ sagt Kruse.
„Strafvereitelung im Amt“ hatten die Staatsanwälte Kruse vorgeworfen. Zwischen 1998 und 2000 sollen Kruse und seine Mitarbeiter Rauschgifthandel in der Bielefelder Drogenberatungsstelle geduldet und Razzien vereitelt haben. Das Verfahren wurde eingestellt, Kruse wurde jedoch entlassen. Offen blieb jedoch die Frage, wie Hilfseinrichtungen verhindern sollen, dass Süchtige die Räume der Beratungsstellen heimlich zum Drogenkonsum- und Handel nutzen.
„Es gibt noch immer keine wirkliche Rechtsicherheit bei niedrigschwelliger Drogenhilfe“, sagt Michael Wiese von der Bielefelder Drogenhilfe, Mitangeklagter im Kruse-Prozess. Viele Mitarbeiter seien immer noch verunsichert, da bei der Hilfsarbeit die Gefahr von strafrechtlicher Verfolgung bestehe. „So ein Prozess kann jederzeit wieder vorkommen“, sagt Wiese. Eine Entkriminalisierung der niederschwelligen Angebote fordert auch Guido Schlimmbach von der Aidshilfe NRW: „Man kann als Landesregierung nicht solche Angebote einrichten und dann die Mitarbeiter bestrafen.“ Rechtssicherheit müsse her.
Die allerdings ist nicht in Sicht: „Zu den Äußerungen von Herrn Kruse gibt es keinen Kommentar. Das erübrigt sich“, sagt Dieter Wendorff, Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums. Auch die Grünen in NRW halten neue gesetzliche Regelungen zum Schutz der Angestellten in der Drogenhilfe zur Zeit für unwahrscheinlich: „Änderungen sind nicht machbar. Da macht keiner mit“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Barbara Steffens. Änderungen müssten zudem auf Bundesebene beschlossen werden, im Land nutze man den bestehenden Spielraum bereits aus.
Für Horst Kruse ist das „völliger Blödsinn“. Das NRW-Justizministerium als Hüter der Staatsanwaltschaften könne diese durchaus daran hindern, „derart zu wüten“. Die fehlende Rechtssicherheit in NRW sei „Eierei“, die Drogenpolitik von Rot-Grün sei unglaubwürdig, findet Kruse, der im vergangenen Jahr nach dreißig Jahren Mitgliedschaft sein SPD-Parteibuch zurückgegeben hat. Der Frust über die alten Genossen sitzt tief: „Die CSU in Bayern ist mir da lieber: Sie sagt, dass sie gegen niedrigschwellige Drogenhilfe ist, und handelt dann auch so. Das ist zwar inhaltlich falsch, aber wenigstens ehrlich.“ KLAUS JANSEN
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