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Bruch zwischen Exfreunden gekittet

Mexiko und Kuba nehmen wieder diplomatische Beziehungen auf, die sie vor knapp drei Monaten abgebrochen hatten. Doch das einst gute Verhältnis zwischen den beiden um eine unabhängige Außenpolitik bemühten Staaten hat sich gewandelt

VON KNUT HENKEL

Pünktlich zu den Feierlichkeiten zum 51. Jahrestag des Beginns der kubanischen Revolution, dem 26. Juli 1953, haben Mexiko und Kuba gestern ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen. Mexikos Botschafterin Roberta Lajous traf am Sonntag in Havanna ein, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen; ihr kubanischer Kollege Jorge Bolaños bezog am gleichen Tag wieder seinen Amtssitz in Mexiko-Stadt. Den hatte Bolaños am 4. Mai auf Weisung der mexikanischen Regierung von Präsident Vicente Fox räumen müssen: Einmischung in innere Angelegenheiten, lautete die offizielle Begründung.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn ähnlich wie andere Staaten der Region haben die Mexikaner die kubanische Menschenrechtspolitik in den letzten Jahren mehrfach kritisiert. Zuletzt im April, als Mexiko bei der Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf für die Annahme einer Resolution stimmte. In der wurde Kuba aufgefordert, eine UN-Menschenrechtsbeobachterin ins Land zu lassen. Die Resolution wurde mit einer Stimme Mehrheit angenommen – in den Augen des kubanischen Staatschefs Fidel Castro ein Beispiel für „Niederträchtigkeit und Abhängigkeit“.

Das Ansehen, das Mexiko durch seine unabhängige Außenpolitik erworben habe, sei zu Asche verfallen, sagte Castro in einer Rede am 1. Mai. Doch es waren nicht weniger als sieben lateinamerikanische Staaten, die für die Resolution stimmten, während sich Argentinien und Brasilien enthielten. Ein Indiz für die zunehmende Isolierung Kubas in der Region für die einen, für Castro hingegen der Beweis, dass sich immer mehr lateinamerikanische Länder dem Druck der USA beugten.

Wer Kuba und seinen Umgang mit den Dissidenten offen kritisiert, zählt für Castro schnell zu den „Lakaien“ und „Knechten“ des US-Imperialismus. So auch Uruguays Präsident Jorge Battle, der 2002 in Genf Kuba-kritisch abstimmen ließ und anschließend als „Judas“ bezeichnet wurde. Daraufhin brach Uruguay die diplomatischen Beziehungen ab. Genauso verfuhr Peru im Mai 2004, nachdem Castro in seiner Rede am 1. Mai Präsident Alejandro Toledo persönlich angegriffen hatte.

Doch im Falle Mexikos, einem politischen Schwergewicht Lateinamerikas, liegen die Dinge anders. Die Aufkündigung der traditionell engen Beziehungen können und wollen sich beide Seiten offenbar nicht leisten: Kuba nicht, weil die außenpolitische Isolierung droht. Mexiko nicht, weil Kuba in der Linken des Landes immer noch für erfolgreiche Revolution und ein vorbildliches Gesundheits- und Bildungssystem steht. Mit Mexikos Linken haben die Kubaner nach wie vor beste Beziehungen. Mit der Rechten, der Fox vorsteht, sind sie hingegen zwischenzeitlich auf dem Gefrierpunkt.

Anders als seine Vorgänger hat sich Fox immer wieder für die Menschenrechte in Kuba stark gemacht, sich offen mit Dissidenten getroffen und Veränderungen im Umgang mit der Opposition angemahnt. In den Augen Havannas ein Sakrileg. Denn die politischen Bürgerrechte sind ein Tabu, dessen Bruch reflexartig mit dem Verweis auf die sozialen Erfolge der Revolution gekontert wird. Aber auch die Abhöraffäre von 2002, als Castro den Mitschnitt eines Telefongesprächs mit Fox der Presse vorspielte, haben die Beziehungen genauso beschädigt wie Castros verbale Ausfälle nach dem Votum in der UN-Kommission. Jetzt ist die Krise gekittet, aber beileibe noch nicht beigelegt. Das zeigt auch der Druck Mexikos auf Kuba, ausstehende Schulden zu begleichen: rund 380 Millionen US-Dollar.

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