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berliner szenen Ehrliche Männer-Emotion

Glanz und Gloria

Mekka liegt am Samstagmorgen kurz hinter der Jannowitzbrücke. An der Einfahrt zum Clean Car drängeln sich die Autos. „Die sanfteste Autowäsche – ohne Kratzer“ verspricht ein großes Werbeplakat. In Reih und Glied stehen 3er BMW, Tuning-Golf und Porsche Targa vom Prenzlauer Berg in den Boxen. Staubsauger heulen, es wird geputzt, gerieben und gestreichelt – fast ausschließlich von Männerhand.

Ich steuere auf einen leeren Patz, links ein SLK aus Frankfurt, rechts ein Audi TT. Der SLK-Besitzer ist nett und gibt mir einen Schuss von seiner Cockpit-Politur. Auch den Fensterreiniger darf ich mir ausleihen. Mit einem Aral-Putztuch streiche ich über das matte Glas der Frontscheibe, die gleich wieder Glanz und Gloria funkelt. Beim Audi wird der Luftdruck der Reifen geprüft, weiter vorne das Chrom gerieben und der Lack abgeledert.

Schön ist es hier, Sonnenstrahlen brechen durch die Blätter der Bäume, aus großen Golfboxen dröhnt lauter Gabba-Techno. Ich bin auf dem Festplatz der ehrlichen Männer-Emotion. Irgendwann fahre ich in Richtung Waschstraße. Der freundliche Mitarbeiter überzeugt mich, dass mein Auto das Vollprogramm mit Unterbodenreinigung und Lackschutz braucht: „Sonst rostet der Auspuff und fällt ab“, sagt er. Das klingt überzeugend, 15 Euro sind verschwunden und ich biege ein in die vollautomatische Waschstraße. Eine Höllenmaschine; es ruckt und zuckt, und irgendjemand schreit, ich solle endlich den Gang rausnehmen.

Schneller als die Beatles „Lucy in the Sky with Diamonds“ singen können, ist alles wieder vorbei. Das Blech glänzt, die Felgen leuchten, und ich erschrecke, weil sich auf einmal tausende kleine Kratzer in den Lack fressen. Klar auch, der Dreck fehlt.

HENNING KOBER

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