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DAS „KURSBUCH“ HAT ZUKUNFT – GANZ OHNE DIE ACHTUNDSECHZIGERHelden des Neuanfangs gesucht

Noch vor einigen Jahren wäre garantiert eine Fahndung nach „unkonventionellen“ oder gar nach „verrückten“ Verlegern ausgerufen worden. Denn: Das Kursbuch, dieses ehrwürdige Selbstverständigungsorgan der undogmatischen deutschen Linken, sucht einen neuen Verlag. Aber Appelle an Idealisten oder auch an kulturelle Bewahrer werden nichts ausrichten. Diese Typen von Verlegern sind auf dem Rückzug. Und es ist im Übrigen gar nicht nötig, ihnen hinterherzutrauern.Was das Kursbuch braucht, ist ein Verleger, der gut rechnen kann. Ein wenig verlegerisches Engagement dazu, und schon kann man das Unternehmen Kursbuch wieder zum Florieren bringen.

An ebendiesem Engagement hat es dem Rowohlt Verlag zuletzt gemangelt. Wohl auch deshalb, weil es in der Tat schwer vorstellbar ist, aus der Zeitschrift einen profitablen Geschäftsbereich zu machen. Verleger, die rechnen können, werden die Verluste aber nicht isoliert betrachten. Sie werden gegenrechnen, wie öffentlichkeitswirksam das Kursbuch immer noch sein kann. Der Profit, den es abwerfen kann, ist Debattenstärke – und der ist nicht zu unterschätzen. Schließlich sind die Zeiten vorbei, als sich die anspruchsvollen Feuilletons ausdehnten wie Hefeteig. Kann gut sein, dass sich das intellektuelle Selbstgespräch dieser Gesellschaft wieder auf andere Formen der Öffentlichkeit verlagert. Und Web-Blogs decken auch nicht alle Bedürfnisse nach Reflexion ab.

Also, nun bitte bloß keine Rückzugsgefechte und Schwanengesänge. Statt die große Vergangenheit des Kursbuchs zu beschwören, ist es für die Verleger an der Zeit, die Gegenwart und vielleicht sogar noch die Zukunft dieses Unternehmens zu entdecken. Stimmt schon, manche Debatten und die selige 68er-Zeit sind vorbei. Gleichzeitig aber gibt es heute so viele an gesellschaftlichen Theorien geschulte Menschen wie noch nie in der Geschichte. Hans Magnus Enzensberger, der listige Gründervater des Kursbuchs, hatte mal die Helden des Rückzugs besungen. Besser wäre ein Held des Neuanfangs. DIRK KNIPPHALS

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